012 - Der mordende Schrumpfkopf
reinzugehen.«
Sie verlangte nach einem Glas Wasser, das Larry Brent ihr willig
reichte.
Rundum herrschte nach ihren Worten noch immer eine unnatürliche
Stille. Weit und breit war nichts davon zu bemerken, daß die Polizei schon kam.
Ich seh mich mal im Bus um«, sagte Larry.
Ich begleite Sie«, machte Jorge sich bemerkbar. »Im Bus befindet
sich Estrellos gesamte Ausrüstung. Und vielleicht hat Anja recht, wenn sie
sagt, daß dort möglicherweise schriftliche Unterlagen zu finden sind. Ich will
wissen, was aus Juanita geworden ist. Vielleicht kann man ihr doch auf
irgendeine Weise helfen. Sie ist erst seit drei Tagen verschwunden...« Seine
Stimme klang nicht sehr überzeugend. X-RAY-3 hätte es lieber gesehen, wenn
Jorge hier bei Anja geblieben wäre. Aber er konnte auch die Nervosität und
Unruhe des jungen Südamerikaners verstehen. So gab er sein Einverständnis.
»Bleiben Sie hier, Senorita«, sagte er, sich Anja zuwendend.
»Versuchen Sie an nichts zu denken, ruhen Sie aus, legen Sie sich zurück! Die
Polizei muß bald da sein.«
Die Russin nickte. Sie machte einen schwachen, hilflosen Eindruck.
Mit müden Augen blickte sie den beiden Männern nach, die über die Terrasse
verschwanden und sich dem Parkplatz näherten, wo der Bus stand.
Anja preßte die Lippen zusammen und blickte mit fiebernden Augen
durch das spiegelnde Glas zu der Stelle, wo sie vorhin den Schrumpfkopf gesehen
hatte. Sie hörte das Pochen ihres Herzens und das Rauschen ihres Bluts... alles
verstärkt wahrnehmbar in der Ruhe und Einsamkeit, die sie umgaben.
Plötzlich vermeinte sie noch etwas anderes zu hören, ein Geräusch,
eine leise, ferne, aber eindringliche Stimme. Diese Stimme sagte etwas, das ihr
bekannt vorkam. »Komm, sei meine
Puppe.«
●
Ein Augenpaar starrte durchs Seitenfenster und erfaßte die beiden
schemenhaften Gestalten, die den Parkplatz überquerten.
Die Luft im Innern des Busses war schwül und stickig.
Wie ein Schatten bewegte sich die Gestalt und verschwand lautlos
hinter dem zugezogenen Vorhang der Nische neben dem Einbauschrank. Die Tür wurde
geöffnet. Larry Brent und Jorge betraten das Innere des Wagens.
X-RAY-3 sah sich im Schein seiner Taschenlampe um. Es gab mehrere
Lichtquellen in dem Fahrzeug, aber sie konnten nur eingeschaltet werden, wenn
der Motor lief, um eine Überlastung der Batterie zu verhindern.
Larry nahm sich vor, den Bus sehr gründlich zu untersuchen. Die
Sache mit dem Schrumpfkopf beschäftigte ihn außergewöhnlich stark.
Die beiden Männer suchten den Nebenraum auf. Jorge hielt sich eng
an der Seite Larry Brents. Sie erreichten eine kleine Kammer, in der ein
schmaler Schreibtisch, ein Stuhl und ein Bücherregal standen. Der Agent und
sein Begleiter sahen sich die Bücher an, die im Regal standen. Es handelte sich
zum Teil um sehr alte Bände, deren speckige Lederrücken schon brüchig waren.
Viele Bücher waren in lateinischer Sprache abgefaßt. Ein Band befand sich
darunter, dessen vergilbte Seiten mit arabischen Schriftzeichen bedeckt waren.
Auf dem Pult lag ein abgegriffenes Buch mit Formeln, deren Sinn
schwer verständlich war. Jorge entdeckte die geheimen Schriften eines
ägyptischen Zauberpriesters und das 5. und 6. Buch Moses. Interessiert
blätterte der Südamerikaner in den Werken, während Larry die Schublade aufzog
und ein schwarzeingeschlagenes Quartheft fand, in dem Estrello mit dunkelroter
Tinte - oder war es Blut? - eine Reihe von Eintragungen gemacht hatte.
X-RAY-3 überflog das Handgeschriebene zunächst flüchtig.
Estrello schilderte Gespräche und Begegnungen mit jenseitigen
Wesen, mit Dämonen und Geistern. Dann folgte ein Blatt, auf dem er unter
laufender Nummer mehrere Frauennamen aufgeführt hatte. Hinter jedem Namen war
ein schwarzes Kreuz. Die Liste begann im Jahr 1974. Dort stand folgendes zu
lesen:
Jo-Anne Merlis, 8.6.1974 f Guiletta Feldrinelli, 9.11.1975 f
RitaMuani, 3.8.1976 f Manuela Gonzales, 10.7.1977 f Maria Tornelli, 8.6.1978 f
Rosita Franciano, 7.10.1979 f
Larry hielt den Atem an. Die Namen der drei letzten Frauen waren
ihm nicht unbekannt. Diese Namen waren ihm von X-RAY-1 genannt worden. Estrello
stand mit dem Verschwinden dieser Frauen im Zusammenhang.
Furchtbare Gewißheit wurde ihm zuteil, als er den letzten Namen
der Liste las:
Juanita Bastro, 6.7.1980. Dieses Datum lag erst zwei Tage zurück,
und seit zwei Tagen vermißte man Juanita, das Zimmermädchen aus dem Hotel
»Libertad«!
Vorsichtig näherte Larry seine Nase
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