012 - Der mordende Schrumpfkopf
hat, und dem sie wiederbegegnet ist. In dieser
Wiederbegegnung scheint des Rätsels Lösung zu liegen.
Jemand hat sich an Estrello gerächt. Auf eine furchtbare Art und
Weise. Er fertigte vom Kopf des Magiers einen Schrumpfkopf an. Wer immer dieser
geheimnisvolle Jemand auch ist, es kann ihm nicht entgangen sein, daß er damit
eine tödliche Gefahr heraufbeschworen hat. Estrellos Geist findet keine Ruhe.«
Auf der Stirn des Capitanos bildeten sich Schweißperlen. »Das ist
der reinste Gruselfilm, den Sie hier erzählen, Senor Brent!«
X-RAY-3 atmete tief durch. »So hört sich die Story an, ich weiß.
Aber es gibt bis jetzt keinen gegenteiligen Beweis, und solange Senorita Anja
ihr Schweigen nicht bricht, müssen wir aus eigener Kraft weiterkommen,
Capitano. Und das wiederum heißt: ich brauche Ihre Hilfe.«
»Sie können sich auf mich verlassen. Wir werden zum Beispiel
Senorita Anja ...«Als Marez Brents abweisendes Gesicht sah, unterbrach er sich.
»Vom kriminalistischen Standpunkt aus gesehen, wäre ein solches
Verhalten zweifellos richtig, Capitano«, sagte der Agent und griff dankbar
nickend nach dem Glas eisgekühlter Limonade, die Marez eingeschenkt hatte.
Trotz des laufenden Ventilators stand die heiße, schwüle Luft in dem kleinen
Büro.
»Aber tun Sie mal so, als gäbe es Senorita Anja nicht. Tun Sie so,
als gäben Sie sich mit dem, was sie bisher ausgesagt hat, zufrieden. Dennoch
setzen Sie einen Mann auf sie an, der jeden ihrer Schritte überwacht. Das ist
zunächst einmal alles, was die Senorita anbelangt. Ich selbst habe noch einen
anderen Wunsch: Setzen Sie jeden Ihrer Männer auf der Suche nach einem
Schrumpfkopf ein!«
Marez quälte sich ein Lächeln ab. »Sie wissen nicht, was Sie von
mir verlangen, Senor Brent. Schrumpfköpfe gibt es in fast jedem Haushalt. Echte
und Falsche, wie man sie Touristen anbietet.«
»Ich suche einen Schrumpfkopf mit Nagetierzähnen.«
Marez zuckte die Achseln. »Auch die gibt es recht oft. Eine
Spezialität der Jivaros. Wir könnten jeden einzelnen Stamm abklappern, aber ob
das zum Erfolg führt?«
»Der Schrumpfkopf, den ich suche, weist eine weitere Besonderheit
auf. Er trägt europäische Gesichtszüge.«
»Das allerdings ist selten. Ich werde sehen, was sich machen
läßt.«
In den Morgenstunden des neuen Tages fand ein kleiner Junge im
Straßenrand einen Schrumpfkopf und wurde damit Handlanger des Schicksals.
Noch ehe die Uhr zehn schlug, befand sich der Kopf nicht mehr im
Besitz des Knaben. Ein deutscher Tourist, Ernst Neuberg, hatte ihn für ein paar
Centavos erstanden. Er reinigte den staubigen Schrumpfkopf flüchtig und war der
Meinung, daß es sich offenbar um ein echtes Stück handelte. Die roten Flecken
um die schmalen Lippen entfernte er nicht. Er wollte die feine, pergamentartige
Haut nicht verletzen.
Stolz zeigte er seine Eroberung. Er erntete Zustimmung, Erstaunen
und Glückwünsche aus den Reihen der anderen Reiseteilnehmer, die in dem
gleichen kleinen Hotel untergebracht waren wie er.
Am Mittag, nach dem Essen, ging Ernst Neuberg wieder hinauf in
sein Zimmer. Sein Blick fiel sofort auf den kleinen Tisch neben dem primitiven
Bett, und er erschrak. Der Schrumpfkopf war weg. Sein erster Gedanke war, daß
ihn jemand gestohlen hatte. Dann aber entdeckte er den Schädel in einer
dunklen, schattigen Ecke.
Neuberg kniff die Augen zusammen. Wie kam der Kopf dorthin?
Seltsam berührt näherte er sich dem Kopf und hob ihn auf. Neuberg
registrierte, daß das Fenster unmittelbar hinter dem Tisch etwas offen stand.
Vielleicht hatte ein Windstoß den leichten Schrumpfkopf von seinem
ursprünglichen Platz gefegt und der Schädel war über den Boden in die Ecke
gerollt?
Neuberg rückte ein wenig zur Seite, mehr in den Schatten.
Nur mit seinen Shorts bekleidet, legte der deutsche Tourist sich
auf sein Bett, streckte die Beine von sich und schloß die Augen.
Für den späten Nachmittag war noch eine Exkursion in die nähere
Umgebung geplant. Unter anderem wollte der Reiseleiter mit der Gruppe auch
einen Besuch im Bungalowdorf machen, und sie wollten sich den ausgebrannten Bus
des weltberühmten Magiers Estrello ansehen. Daran wollte auch Neuberg
teilnehmen.
Die kommenden vier Stunden konnte sich jeder so einrichten, wie er
wollte. Neuberg hielt es für das beste, diese Zeit zu verschlafen. Das Klima
schlauchte die Europäer ganz schön.
Er wandte den Kopf, als er ein leises, schabendes Geräusch
vernahm.
Der junge Deutsche mit dem gewellten Haar
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