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012 - Die Sekte des Lichts

012 - Die Sekte des Lichts

Titel: 012 - Die Sekte des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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MP7-Player den Geist aufgegeben hatte und er keine Musik mehr hören konnte. Er erinnerte sich genau an den schrecklichen Tag, als er versuchte eine Gleichung mit zwei Unbekannten im Kopf zu lösen. Sonst eine Lockerungsübung - an diesem Tag scheiterte er. Erst seitdem er regelmäßig den RV-Perfusor benutzte, hatte er wieder das Gefühl, über seine alte Geisteskraft zu verfügen. Vittoris vermutete, dass die Verblödung der Menschen mit dem Kometen zusammenhing.
    »Kaadinal!« Ein Sicherheitsmann kam den Gang entlang gerannt und stürzte ins Labor.
    »Düsdorfer über uns! Sie suchen Eingang in die Katakomben. Verwüsten die Kathedrale!« Vittoris platzte der Kragen. »Kardinal nennt sich der Mann! Und die Stadt heißt Düsseldorf! Wenn du nicht ordentlich sprichst, zieh ich dich in der Warteliste vor!«
    Die Warteliste war sein wichtigstes Herrschaftsinstrument. Außer Josef und seinen beiden engsten Vertrauten standen sie alle auf der Liste. Alle hundertvierundachtzig Bewohner der Katakomben. Alle zwei Wochen musste eines der Kinder oder Vittoris selbst an den RV- Perfusor angeschlossen werden. Alle zwei Wochen also musste ein frisches Hirn und frisches Nebennierenrindengewebe in den Molekülsynthesizer. Nur wer wichtige Gründe anführen konnte, die die Lebensunwürdigkeit eines anderen Katakombenbewohners bewiesen, rückte ans Ende der Liste. Oder wer einen der Halbwilden einfing, die in den Ruinen der Stadt ihr Leben fristeten.
    Eine vernünftige Regelung, fand Vittoris. Sie gab den Katakombenbewohnern einen Lebenssinn. Und sie förderte das Bevölkerungswachstum hier unten.
    Vittoris trat an den RV-Perfusor. »Nun, Chrysler - wie geht es dir, mein Sohn?«
    »Lofnallen, Papa, iwill auf innen Fnee, lofnallen…«
    Der Junge hatte orientalische Züge. Und vor allem hatte er einen Wolfsrachen. Das verlieh seinem missgebildeten Gesicht den Charme einer Hyäne, die ein Lama zu imitieren versucht. Vittoris verstand nicht mal die Hälfte dessen, was Chrysler den lieben langen Tag von sich gab. Meistens tobte er in der Umgebung des Doms im Schnee herum oder schlidderte über den zugefrorenen Rhein oder traktierte gemeinsam mit seinen Halbbrüdern die Generatorsklaven. Er war derjenige, der es am wenigsten tolerierte, stundenlang auf der Pritsche angeschnallt im RV-Perfusor zu liegen.
    »Du musst noch ein Weilchen Geduld haben, Chrysler.« Vittoris kontrollierte den Shunt und den Ablaufschlauch. Ein Fass fing die gelbliche Flüssigkeit auf. Mehr als ein Hektoliter war nötig, um dem Organismus die EL-Lösung zuzuführen. Irgend jemand war auf die Idee gekommen, die Flüssigkeit zum Bierbrauen zu verwenden. Vittoris hatte nichts dagegen. Alles was die Leute irgendwie betäubte, war ihm Recht. »Der Molekularskanner überträgt die Daten deines Zellbedarfs gerade an den Qu-Computer.« Die beiden anderen Knaben stellten sich neben ihn und spitzten die Ohren. »Und der Molekularsynthesizer wird dir gleich einen individuell komponierten Hormon-, Eiweiß- und Zellkern-Cocktail in die Arterien jagen. Du brauchst das, sonst wirst du krank. Also sei zufrieden.«
    Das war natürlich Blödsinn. Der Junge brauchte Bewegung, brauchte eine Mutter, die zärtlich zu ihm war, und einen Vater, der mit ihm spielte. Weiter nichts. Aber Vittoris brauchte den Jungen - und seine beiden Halbbrüder -, um den EL-Extrakt und seinen RV-Perfusor zu testen. Um die untergegangene Welt und vor allem sich selbst in absehbarer Zeit mit ewigem Leben zu beglücken. Weiter nichts.
    »Schnall ihn los, wir wollen mit ihm spielen!« Daimler und Gates machten sich an Chryslers Armgurten zu schaffen. »Wir wollen Spaß, wir wollen Spaß!« Sie brachen in ihr hysterisches Gelächter aus, das Vittoris so hasste.
    Er verteilte ein paar Ohrfeigen nach links und nach recht. »Verzieht euch!« Die missratenen Kerlchen nervten ihn gewaltig. Manchmal wünschte er sich, niemals den Reliquienschrein der Heiligen Drei Könige geplündert zu haben.
    Selbstverständlich hatte er den kopierten Legionären die Namen der verstorbenen Ratten gegeben. Der verblödete Josef nannte sie zwar hartnäckig Kaspar, Balthasar und Melchior, aber das würde sich legen.
    ***
    Coellen, Jahrhunderte später
    »Es ist zu gefährlich.« Gebetsmühlenartig wiederholte Rulfan seine Warnung. Schon seit Stunden.
    »Der Mond nimmt zu«, beharrte Matt.
    »Wenige Tage noch, und der Ritus wird vollzogen. Ich muss in die Stadt, bevor Aruula für immer in den schwarzen Gemäuern verschwindet.«
    »Es

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