012 - Die Sekte des Lichts
dem anderen verstummte. Der Trommelwirbel wurde schwächer. Und schließlich verstummten die Sänger ganz.
Die beiden Suprapas und die Räte kamen aus dem Schwarzen Dom geeilt. Keiner beachtete sie. Alle schienen zu lauschen. Viele spähten in den grauen Morgenhimmel.
»Was ist passiert?« Hossany, sein erster Suprapas, tauchte neben Joosev auf.
Der Kaadinarl hörte ein heulendes Dröhnen. Es näherte sich rasch. Erschrocken stieg er die drei Stufen seines Thrones und die Vortreppe hinunter. Durch die erstarrte Menge hindurch lief er mitten auf den Platz. Die Menschen wichen nicht wie sonst vor ihm zurück, ließen jegliche Scheu und Ehrfurcht vermissen. Sie schienen vollkommen im Bann des rätselhaften Geräuschs zu stehen.
Das Dröhnen wurde lauter und lauter. Joosevs Augen suchten den Himmel ab. Und endlich sah er, was die meisten schon entdeckt hatten: Ein riesiger Vogel flog von Osten her auf die Stadt zu. Er zog einen kerzengeraden Schweif hinter sich her, als würden seine Schwanzfedern brennen. Rasend schnell kam er näher. Nie zuvor hatte Joosev einen solchen Vogel gesehen…
Er stutzte, als er bemerkte, dass das rätselhafte Tier seine Flügel nicht bewegte. Sie waren vollkommen starr. Das heulende Gedröhn schwoll an. Der Kaadinarl suchte fieberhaft nach einer Erklärung für diese Erscheinung, doch er fand keine.
Und plötzlich klang ein spitzer Schrei aus dem Schwarzen Dom, anhaltend und lang. Die Frau schrie wie ein junger Wakuda, der zur Schlachtbank geführt wurde. Die ersten Köpfe fuhren herum. Weit aufgerissenen Augen fixierten die geschlossene Südpforte der Kathedrale.
»Ein Dämon!«, brüllte Joosev. Er riss den Arm hoch und deutete auf den starren Vogel. Unter allen Umständen mussten die noch nüchternen Bürger von dem Gejammer im Dom abgelenkt werden. In diesem Augenblick querte der Vogel die Türme der Kathedrale. Er war von einem dunklen Blau und machte einen so unerträglichen Lärm, dass jeder, aber auch jeder, der sich auf dem Domplatz aufhielt, die Hände gegen die Ohren presste.
Schlagartig begriff Joosev, dass dieses Ding kein Vogel sein konnte. Das unheimliche Etwas beschrieb eine Kurve, flog in Richtung Hozollerbrück und stieg über dem Großen Fluss noch einmal in die Höhe, bevor er zur Landung ansetzte.
»Ein finsterer Bote Orguudoos!«, schrie Hossany plötzlich. »Wir müssen ihn verbrennen!« Sein flackernder Blick traf den des Kaadinarls.
Joosev war in diesem Moment nichts als dankbar für die Initiative seines Suprapas. »Zur Brücke!« Er stürmte los. Ein Ruck ging durch die Menge. Die Menschen rannten über den Domplatz und strömten zwischen Kathedrale und Bruderschaftshaus der Hozollerbrück entgegen…
***
Matts Rechte umklammerte den Steuerknüppel. Das Machmeter stand bei 0,8 und der Balken des Höhenmessers war längst unter 1000 Fuß gerutscht. Nur beiläufig registrierte Matt eingefallene Bauten und ausgedehnte Waldflächen unter sich. Die schwarzen Türme des Doms rasten dem Jet entgegen.
Plötzlich war da ein Rauschen und Knacken im Helm.
Versuchte ihn jemand anzufunken? Aber wie konnte das sein…?
Matts Finger huschten über die Schalter des Funkgeräts. Das Rauschen verstärkte sich, aber es kam keine Verbindung zustande. Für Sekundenbruchteile sah Matt ein grün leuchtendes Ding zwischen den Türmen des Kölner Doms. Aruulas Hände klammerten sich von hinten an seinen Schultern fest.
Das rote Warnlicht der Treibstoffanzeige blinkte ohne Ende. Und noch immer behauptete die digitale Tankuhr, der Jet sei zu zwei Dritteln vollgetankt. Aber die Aussetzer in der Kerosinzufuhr sprachen eine andere Sprache.
Der Dom blieb hinter ihnen zurück. Die Geräusche im Helmfunk ließen nach. 520 Stundenmeilen, 600 Fuß Höhe - er musste runter! Doch wo? Auf einer der Rheinbrücken?
Zu kurz, außerdem durch Fahrbahntrenner oder Eisenbahngleise in der Mitte unbrauchbar.
Ich muss notwassern. Es gibt keine Alternative. Lieber absaufen als an irgendeiner Ruine zu zerschellen.
Matt zog die Maschine noch einmal hoch; der Leuchtbalken des Höhenmessers stieg auf
680 Fuß. Er brauchte einen günstigen Anflugwinkel.
Wir haben eine gute Chance, versuchte er sich zu beruhigen. Ich sprenge das Cockpit ab, dann tauchen wir…
Er drückte den Steuerknüppel nach rechts; der Jet kippte ab. In einer fünf Kilometer umfassenden Kehre flog Matt über das Rheinland, bis er sich wieder genau über dem Strom befand. Er drosselte weiter die Geschwindigkeit.
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