0120 - Jerry Cottons letzter Fall?
geschah. Marrys Vernehmung in dem kleinen Lokal gegenüber der Druckerei fand vorgestern abend statt.
Am nächsten Morgen war ich wie immer um acht im Distriktgebäude. Aber Jerry war noch nicht da.
Ich wartete in seinem Office.
Er kam nicht.
Ich rief den Einsatzleiter an:
»Hier ist Phil. Sagen Sie bitte, haben Sie Jerry mit irgendeinem Sonderauftrag weggeschickt?«
»Jerry? Aber ich denke, der bearbeitet mit Ihnen diese Ein-Dollar-Geschichte?«
»Ja, ich dachte nur…«
»Nein, ich habe ihn nicht weggeschickt. Der Chef vielleicht?«
»Danke, ich werde Mr. High anrufen.«
Ich drückte die Gabel nieder und wählte die Nummer unseres Distriktchefs. Mister High meldete sich erst nach einem kurzen Warten.
»High.«
»Hier ist Phil. Guten Morgen, Chef. Haben Sie Jerry heute morgen weggeschickt?«
»Ich? Wie kommen Sie denn zu dieser eigenartigen Frage, Phil?«
»Wir haben jetzt schon fünfzehn vor neun, und Jerry ist immer noch nicht da.«
»Kümmern Sie sich darum, Phil, und geben Sie mir Bescheid, sobald Sie ihn gefunden haben.«
»Okay, Chef.«
Ich rief die Lichtbildstelle an, die daktyloskopische Abteilung, die Funkleitstelle, die Fahrbereitschaft, das Labor, das Archiv, den Zellentrakt. Es war neun Uhr, als ich den Hörer aus der Hand legte.
Jetzt stand fest, daß Jerry an diesem Morgen das Distriktgebäude noch nicht betreten hatte. Das war ungewöhnlich, denn Jerry ist ein G-man. G-men sind pünktlich.
Ich rief den Chef an. Mister High war sofort damit einverstanden, daß ich zu Jerry fuhr. Ich ließ mir einen Dienstwagen von der Fahrbereitschaft anweisen, setzte mich ans Steuer und fuhr los wie der Teufel.
Jerrys Wohnung war abgeschlossen, aber auf mein Klingeln meldete sich niemand. Nachdem ich ein paarmal Sturm geklingelt hatte, probierte ich es mit meinem Dietrich. Ich hatte lange zu tun, bis ich das Schloß aufbekam.
Jerry war nicht zu Hause.
Sein Bett war unberührt. Er hatte die ganze Nacht über nicht im Bett gelegen. Jetzt stieg meine Sorge ins Maßlose.
Von Jerrys Wohnung aus rief ich im Distriktgebäude an.
No, Jerry war noch nicht gekommen.
Den ganzen Tag über fuhr ich kreuz und quer durch New York. Ich suchte alle Leute auf, die bisher in den Fall verwickelt worden waren, und eine Reihe anderer. Ich war bei Jerrys Arzt, bei seiner Bank - überall.
Jerry war nicht zu finden.
Abends fuhr ich wieder zu Jerrys Wohnung. Er war auch noch nicht zu Hause gewesen, sonst hätte er meinen zurückgelassenen Zettel gefunden und mindestens angerufen.
In der Nacht schrieb ich Jerrys Tagebuch ab. Jetzt sitze ich im Office und habe die letzte Seite von Jerrys Tagebuch vor mir liegen:
***
Ich war gerade mit Phil im Kino. Western mit stahlharten Männern. Na ja, so etwas gibt es eben im Film.
Bei uns sieht es leider weniger rosig aus. Wir konnten den Toten identifizieren. Aber dem Falschgeld sind wir noch immer nicht auf der Spur. Ich habe mir unterwegs ein paar Gedanken gemacht, wie wir vielleicht vorankommen können. Ich werde sie aufschreiben, damit ich es nicht wieder vergesse.
Zuerst muß natürlich die Fahndung nach Joho mit allen Mitteln vorangetrieben werden. Nicht nur, weil er vielleicht mehr über die Herkunft des Falschgeldes weiß, als wir vermuten, sondern vor allem, weil er Rightword erschossen hat.
Zweitens könnte vielleicht eine nochmalige gründliche Vernehmung sämtlicher verhafteter Gangster doch noch einiges Neue ergeben. Man muß das richtig organisieren. Ich werde diese Sache mit Mister High besprechen.
Drittens ergibt sich hinsichtlich dieser Marry eine Frage: Wieviel wußte sie wirklich von Rightword? Wußte sie, daß er ein Gangster war? Wußte sie, daß er seine Hände in einer Falschgeld-Sache hatte? Spielte sie etwa gar mit?
Viertens sollten wir versuchen, herauszufinden, wem nun eigentlich das Auto gehörte, das für Rightword zum Grab wurde. Vielleicht gehört es einem anderen Mann, der mit Rightword zusammen zu den wirklichen Falschmünzern gehört?
Fünftens müssen wir herausfinden, wo Rightword herkam, als er bei Joho mit diesem mysteriösen Brief auftauchte, den Slack Rander erwähnte. Man fährt schließlich nicht mit drei Koffern voll Falschgeld nur so zum Spaß spazieren.
Sechstens frage ich mich, ob dieser Brief, den er Joho brachte, tatsächlich von dem Hehler Morton stammte. Ich kann mir nicht denken, daß ein Hehler seine Briefumschläge so auffällig bedrucken läßt, daß man von weitem sieht, woher ein Brief Mortons kommt. Diesem Hehler
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