0121 - Ich suche Jerry Cotton
stören. Wir haben bis jetzt bei Marry Crossway gesessen.«
»Wieso gesessen?«
»Als du uns heute morgen losschicktest, postierten wir uns in der Nähe der Druckerei auf, in der sie arbeitet. Es dauerte keine Viertelstunde, da erhob sich auf einem Hinterhof in der Nähe der Druckerei ein Geschrei, das ziemlich weit zu hören war. Ich ahnte nichts Gutes und ging nachsehen, während die Kollegen auf dem Posten blieben.«
»Und?«
»Auf dem Hof lag eine Frau in einer Blutlache. Es ist ein unbenutzter Hof, der früher mal ein Lagerplatz gewesen zu sein scheint. Spielende Kinder hatten die Frau gefunden. Es war Marry Crossway.«
Ich drückte hart meine Zigarette aus. Was ging in dieser Stadt eigentlich vor? Was sollte diese Häufung von Verbrechen eigentlich bedeuten? Stand das alles in einem Zusammenhang mit den gefälschten Ein-Dollar-Noten?
»War sie tot?« fragte ich heiser.
»No. Sie lebte noch. Aber sie hatte vier Messerstiche in der Brust und sie sah auch sonst verdammt ungemütlich aus.«
»Wieso?«
»Bevor man ihr die Stiche beibrachte, hat jemand diese Frau gequält. Eine Bestie muß das getan haben.«
»Sie wird doch geschrien haben. Jemand müßte es doch gehört haben«, sinnierte ich.
»No. Neben ihr lag ein zusammengedrehtes Halstuch. Wahrscheinlich hatte man sie geknebelt, als sie gefoltert wurde. Ich rief die Kollegen und ließ einen Arzt holen. Er kam sofort. Nicht transportfähig, sagte er.«
»Sie lebte also noch?«
»Ja, das sagte ich doch schon. Wir sind bis jetzt bei ihr geblieben. Der Arzt rief einen Kollegen von einer Rettungsstation, der mit Sauerstoffgerät und allem möglichen medizinischen Kram ankam. Er blieb ebenfalls bis jetzt bei Marry Crossway.«
»Hat sie irgend etwas gesagt? Bewußtlose Leute reden doch manchmal.«
»Nichts. Wir haben gewartet. Nichts.«
»Und«, fragte ich, während ich einen nach dem anderen langsam ansah. »Warum seid ihr jetzt nicht mehr bei ihr?«
Sie schwiegen einen Augenblick. Dann sagte der, der bisher gesprochen hatte:
»Marry Crossway ist vor zwanzig Minuten an den Folgen ihrer Verletzungen gestorben…«
***
Ich fuhr mit einem von ihnen, mit Gray Bens, wieder hinaus zu der Druckerei, in deren Nähe der Hof lag, wo Marry Crossway gestorben war. Gray hatte Polizisten vom nächsten Revier gerufen und damit beauftragt, Neugierige fernzuhalten.
Wir wiesen uns aus und durften die Absperrung passieren.
Marry Crossway lag noch immer auf der nackten Erde. Ein Arzt, jung und mit einem Gesicht voller Sommersprossen, stand neben ihr. Er rauchte nervös eine Zigarette. Sein weißer Kittel war stellenweise mit Blut verschmiert.
»Ich - ich habe alles getan«, versicherte er mit einem nervösen Zucken seiner Augen. »Ich habe alles getan, was man nur tun konnte. Aber…«
Vielleicht war es der erste Mensch, der ihm untec den Händen gestorben war. Er sah jung genug dazu aus. Ich drückte ihm die Hand und sagte leise:
»Ich weiß Doc. Ihre Schuld ist es nicht.«
Er warf mir einen dankbaren Blick zu.
Dann knieten wir schweigend neben der Leiche nieder.
Marry Crossway war kleine gepflegte Erscheinung mehr. Ich hätte sie vielleicht nicht einmal erkannt, wenn ich sie zufällig in irgendeinem Hospitalbett gesehen hätte, ohne zu wissen, wer es war. Man hatte sie schauderhaft zugerichtet.
Ich sah den Doc fragend an.
»Sie ist geschlagen, gedrosselt und überhaupt verdammt schmutzig behandelt worden, bevor man sie umbrachte«, sagte der Doc leise. Jedes Wort begleitete er mit einer Geste, die auf eine von ihren Wunden hinwies.
»Wie alt sind die Wunden?« fragte ich.
Der Doc dachte ein paar Sekunden nach. Dann brummte er:
»Heute früh gegen neun muß man die Frau überfallen haben. Ich gebe einen Spielraum von zwei Stunden. Zwischen acht und zehn.«
Wir unterhielten uns noch eine Weile mit dem Arzt, aber es kam nichts dabei heraus, was unsere Arbeit erleichtert hätte. Dann stand ich auf und sagte zu den Polzisten vom nächsten Revier:
»Lassen Sie die Leiche ins Schauhaus bringen.«
»Jawohl, Sir. Was soll auf den Einlieferungsschein geschrieben werden?«
Ich schrieb auf einen Zettel meines Notizbuches: »Marry Crossway, FBI-Einlieferung im Fall Cotton.«
»Das«, sagte ich und gab ihm den Zettel.
Der Doc kam mit uns vor zur Straße, wo der Wagen stand, mit dem er gekommen war.
»Ziehen Sie ihren Kittel aus, Doc«, sagte ich. »Da drüben ist eine Kneipe, in der wir übrigens vor ein paar Tagen noch mit dieser Frau gesprochen haben, die
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