0122 - Hallo, ich bin wieder da!
können wir nun überhaupt nicht gebrauchen! Wartet, ich will mir den Kerl ansehen!«
Er verschwand wieder im Halbdunkel seiner roh aus Reklameschildern, Brettern und Kistendeckeln zusammengehauenen Bude. Eine Weile rumorte er drinnen herum, daß es sich anhörte, als tobe ein Nilpferd seine Wut drinnen aus, dann erschien er etwas vollständiger angekleidet.
Inzwischen waren andere Leute in den benachbarten Buden wach geworden. Neugierige Köpfe erschienen in den Löchern, die Fenster oder Türen darstellen sollten.
»Schert euch in eure Betten!« schrie Don Alberto. »Verschwindet!«
Seine Autorität war groß genug, daß sie ihm gehorchten. Er aber wandte sich an Tonio und sagte: »Los, Junge, zeig mir den Weg!«
Schon von weitem sahen sie die lang hingestreckte Gestalt auf dem Sand liegen. Die Flut hatte sich noch weiter zurückgezogen, so daß er jetzt im Trockenen lag. Als sie bei ihm angekommen waren, stieß Maria einen Schrei des Entsetzens aus. Der Mann sah wirklich fürchterlich aus.
»Er hat mindestens zwei Tage im Meer getrieben«, sagte Don Alberto. »Die Sonne und das Salzwasser haben ihm die Haut in Fetzen vom Körper gefressen. Aber eigenartig sieht er aus. Gar nicht wie eine Leiche, die solange im Meer lag.«
Maria hatte aufmerksam zugehört. Dann kniete sie plötzlich nieder und legte ihre Hand auf die Brust des Toten, dicht oberhalb des Messers.
Eine Weile ließ sie die Hand liegen, wobei sie den Kopf lauschend vorstreckte. Dann zog sie die Hand weg und legte das Ohr behutsam auf die Stelle, die sie noch eben mit der Hand abgefühlt hatte.
Plötzlich fuhr sie auf wie von einer Tarantel gestochen.
»Er lebt!« rief sie mit leuchtenden Augen.
Die beiden Männer sahen sich an. Dann kniete Don Alberto nieder und legte sein Ohr an die Brust des Toten. Mit einer Hand machte er ein Zeichen, daß sie sich still verhalten sollten.
»Tatsächlich«, knurrte er. »Der Kerl lebt noch. Er muß die Natur eines bretonischen Bullen haben. Verdammt noch mal!«
Er ließ sich zurückfallen, bis sein Gesäß in den feuchten Sand klatschte, kratzte sich hinter den Ohren und brummte: »Jetzt wird die Geschichte noch komplizierter. Wahrscheinlich ist er einer von den Leuten, die uns mit dem Dampfer das Marihuana bringen. Vielleicht sind sie auf dem Schiff in Streit geraten. Er fing sich das Messer, man hielt ihn für tot und warf ihn über Bord. Wenn er wenigstens tot wäre. Dann könnten wir ihm ein paar Steine an den Körper binden und ihn mit einem Boot hinausbringen. Aber so…?«
»Das kann man so doch auch noch -oder nicht?« fragte Tonio listig.
Maria war schneller bei ihm, als er es bemerken konnte. Sie griff mit beiden Händen in sein struppliges Haar und zerrte seinen Kopf hin und her, während er wehklagend versuchte, sich zu befreien.
»Du Lump!« schrie das Mädchen. »Du ausgekochter Lump, du…! Du elender Verbrecher, du stinkende Kröte, du! Du…«
Es ging noch eine Zeitlang so weiter. Marias Vorrat an Schimpfwörtern übertraf selbst den Wortschatz eines fluchenden arabischen Fremdenführers. Nach einer Weile aber wurde es Don Alberto zu bunt.
Er fuhr dazwischen und rief: »Auseinander!«
Sie ließen sich los. Don Alberto bekreuzigte sich und sagte:
»Heilige Mutter Gottes, hilf uns, daß uns der Fremde nicht Unheil bringt. Ich habe schon allerhand in meinem Leben hinter mir, aber ich morde nicht. Ich will nicht das Blut eines Bruders an meinen Händen haben. Wir werden ihn vorsichtig ins Dorf tragen. Tonio, lauf zurück und hole ein paar Stangen und ein paar Netze, damit wir eine Bahre machen können! Und sag, der alte Roberto soll mitkommen. Er versteht sich auf die Behandlung von Wunden. In einer Stunde soll sich das ganze Dorf auf dem Platz hinter unserer Vorratshütte versammeln. Dieser Fremde gehört jetzt zu uns. In Pedros Hütte ist noch Platz, also wird er dorthin gebracht. Ich will, daß alle Leute des Dorfes diesen Fremden als Pedros Bruder ansehen. Er heißt - eh - also: Raphaelo. Los, an die Arbeit!«
So kam ich zu dem Namen Raphaelo.
***
Der Messerstich war an einer meiner Rippen abgeglitten und hatte das Herz verfehlt. Glücklicherweise war keine größere Ader getroffen worden, so daß mein Blutverlust im Rahmen dessen blieb, was ein Mensch mit zäher Natur aus eigener Kraft ertragen kann.
Maria sorgte sich aufopfernd um mich. Später erzählte sie mir, wie sie mich gefunden hatten.
Roberto war ein Alter von fast neunzig Jahren. Er hatte sein Leben lang als
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