0122 - Nachts, wenn der Todesbote kommt ...
bewußt zu werden, krallte sich seine Rechte schmerzhaft in Fettermans Oberarm.
»Mensch, Buzz, Giordano ist wirklich…«
Der Mann, der seit mehreren Tagen tot gewesen war, öffnete jetzt die Augen, Augen, in denen ein verzehrendes Feuer brannte.
Auch Buzz Fetterman konnte nicht vermeiden, daß sich seiner Kehle ein unartikulierter Laut entrang. Nie in seinem Leben hatte er etwas so Unheimliches gesehen wie Luke Giordanos Augen.
Sie waren unnatürlich geweitet. Ein fluoreszierender Kranz, leuchtend wie eine Fackel, umgab Pupillen, die an rotglühende Kohle denken ließen. Fetterman wäre nicht verwundert gewesen, wenn leibhaftige Flammen aus den Augen geschlagen wären.
Giordanos schreckliche Augen wanderten, streifen Fetterman und Plant und blieben dann an Anthony George hängen.
Der Leichenbeschwörer stand noch immer da wie in Trance, die Arme in einer gebieterischen Geste erhoben. Er sagte etwas - in einer Sprache, die Buzz Fetterman nicht verstand. Lateinisch, Arabisch oder so etwas, vermutete der hagere Gangster. Ein Befehl an die Adresse des zum Leben Wiedererweckten?
Kevin Plant löste sich jetzt von seinem Komplizen, trat an die Seite Georges.
»Frag ihn, wo er die Moneten versteckt hat, Anthony!«
Seine Stimme klang etwas belegt, aber der Gedanke an die Million drängte offensichtlich sein Unbehagen in den Hintergrund.
George antwortete nicht, nahm von Plant gar keine Notiz. Seine Aufmerksamkeit wurde voll und ganz von Giordano in Anspruch genommen.
Wieder sagte er etwas in der unbekannten Sprache. Ein bißchen schrill, wie Buzz Fetterman fand, mit deutlichen Untertönen von Nervosität.
War etwas nicht so gelaufen, wie es sollte?
Giordano richtete sich weiter auf. Er stand jetzt in seinem Sarg, machte Anstalten, ihn zu verlassen. Seine Bewegungen wirkten ruckartig, hölzern, so als sei er noch nicht imstande, seinen Körper richtig zu kontrollieren. Kein Muskel regte sich in seinem Gesicht. Nur die Augen glühten in unheiligem Feuer. Sie schienen Anthony George förmlich zu durchbohren.
Der Leichenbeschwörer schrie jetzt etwas. Gleichzeitig gab er seine starre Haltung auf. Er zuckte zwei Schritte zurück, als habe er plötzlich Angst vor dem lebenden Toten.
Immer deutlicher spürte Buzz Fetterman, daß er die Situation offenbar nicht sehr fest unter Kontrolle hatte. Auch Kevin Plant merkte das. Er ließ George stehen und kam schnell zu Fetterman zurück.
Das Gesicht des Leichenbeschwörers wurde jetzt zu einer verzerrten Grimasse. Furcht spiegelte sich darin, Furcht und kaum gebändigte Panik.
Luke Giordano stand inzwischen außerhalb des Sarges. Er sah aus wie eine Figur aus einem einschlägigen Marvel-Comic. Aber er hatte überhaupt nichts Lächerliches an sich. Ganz im Gegenteil. Seine Erscheinung flößte Grauen ein, ließ das Blut in den Adern gefrieren. Fuß vor Fuß setzend näherte er sich Anthony George, der immer weiter zurückwich.
Dann aber konnte der Leichenbeschwörer nicht weiter. Er war bis an den Rand des Grabes gelangt und geriet ins Straucheln. Im letzten Moment konnte er verhindern, in die Grube zu stürzen.
Der lebende Tote stakste weiter auf ihn zu, stand dann unmittelbar vor ihm.
Abwehrend streckte George eine Hand aus, gab dabei einen angsterfüllten Laut von sich, der sich jetzt nicht mehr nach einem Befehl, sondern nach einer Bitte anhörte. Seine Miene wurde von Verzweiflung und Todesangst geprägt.
Kein Yard von ihm entfernt blieb Luke Giordano stehen. Sein feuriger Blick bohrte sich in die weit aufgerissenen Augen des Mannes, dem er sein zweites Leben zu verdanken hatte.
Und dann passierte es…
Eine erschreckende Metamorphose ging mit Anthony George vor. Sein scharfgeschnittenes, glattes Gesicht überzog sich plötzlich mit Falten und Runzeln. Das volle, tiefschwarze Haar lichtete sich, wurde grau, wurde weiß. Georges Körper, nicht gerade der eines durchtrainierten Sportlers, aber doch noch straff und gut in Form, sackte regelrecht zusammen, wurde gebeugt, als habe er schwer unter der Last der Jahre zu leiden.
Und genau das war der Fall: Anthony George war in Sekundenschnelle zu einem Greis geworden.
Ein Lächeln kam über seine blassen Lippen. Mit zittriger Altmännerstimme stammelte er einige Worte, die niemand verstehen konnte. Dann brach er in die Knie, so, als seien die morschen Knochen nicht länger in der Lage, den Körper zu stützen. Er kippte weiter nach vorne, wie in Zeitlupe, und fiel aufs Gesicht. Ein Zucken, ein verzweifeltes
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