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0122 - Nachts, wenn der Todesbote kommt ...

0122 - Nachts, wenn der Todesbote kommt ...

Titel: 0122 - Nachts, wenn der Todesbote kommt ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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ließ er sich zurück nach Hause fahren. Ganz wohl war ihm nicht in seiner Haut. Das bekannte Fahrstuhlgefühl machte ihm zu schaffen. Was er brauchte, war frische Luft. Und zwar möglichst schnell.
    Lowell warf einen Blick aus dem Seitenfenster. Die Taxe fuhr gerade den Astoria Boulevard entlang. Rechter Hand konnte er die ausgedehnten Grünanlagen des St. Michael’s Cemetery erkennen. Gott sei Dank war es nicht mehr weit bis zu seinem Haus.
    Als der Wagen in die 87. Straße einbog, ließ er den Taxi-Driver anhalten. Das letzte Stück des Wegs würde er zu Fuß zurücklegen. Ein kleiner Marsch konnte sich nur positiv auf seine angeschlagene Verfassung auswirken.
    Er stieg aus und zahlte. Dabei hatte er einige Mühe, gerade stehen zu bleiben. Er mußte sich leicht auf das Dach des Cabs stützen. Der Fahrer, der wohl Lackkratzer befürchtete, murmelte etwas von einem »vollen Briefkasten«. Aber der Mann irrte. Trotz der leichten Gleichgewichtsstörungen war Herbert Lowell so betrunken nun auch wieder nicht. Er bewies das dem Driver, indem er sich das Wechselgeld bis auf den letzten Cent zurückgeben ließ.
    Die Taxe entfernte sich. Lowell blickte ihr hinterher, bis die Rücklichter in der spätabendlichen Dunkelheit untergingen. Dann setzte er sich in Bewegung.
    Die 87. Straße war menschenleer.
    Die Straßenlaternen verbreiteten milchiges Licht und machten vereinzelte Nebelschwaden sichtbar, die zwischen den Häuserfronten links und rechts schwebten. Es war ein bißchen kühl, aber Lowell empfand das als sehr angenehm. Schon merkte er, daß er einen klareren Kopf bekam.
    Leicht schwankend ging er den Bürgersteig entlang. Knapp dreihundert Yards, dann war er zu Hause.
    Auf einmal kam ihm jemand entgegen, ein Mann, wie es aussah. Herbert Lowell kicherte innerlich. Dieser Mann schien auch ganz schön getankt zu haben. Man sah es ihm am Gang an. Offenbar gab er sich die größte Mühe, betont aufrecht zu gehen, womit er jedoch nur einen gegenteiligen Effekt erreichte. Er marschierte nämlich so steifbeinig wie ein Roboter aus Star Wars.
    Zehn Schritte etwa trennten die beiden Männer jetzt noch. Der andere trug einen Hut, den er tief in die Stirn gezogen hatte. Trotzdem erkannte Lowell, daß er eine Brille trug.
    Fünf Schritte noch…
    Plötzlich blieb der andere Mann stehen und nahm seine Brille ab.
    Herbert Lowell bekam einen regelrechten Schock, als er den Blick des Fremden auf sich spürte. Ihm war, als würde er durch zwei Löcher mitten in einen Hochofen blicken. Gegen seinen eigentlichen Willen blieb er ebenfalls stehen. Er war wie hypnotisiert.
    Der andere setzte sich jetzt wieder in Bewegung. Er kam langsam auf Herbert Lowell zu, die Flammenaugen unverwandt auf sein Gegenüber gerichtet.
    Plötzlich spürte Herbert Lowell eine eigenartige Schwäche in seinen Gliedern. Am Alkohol konnte es nicht liegen. Sein Körper war längst im Begriff, diesen abzubauen. Was also dann?
    Diese Augen!
    Lowell hatte den Eindruck, daß sie ihm förmlich das Mark aus den Knochen saugten, daß sie die Kraft seiner Muskeln lähmten.
    Das ungeheure Schwächegefühl wuchs sich weiter aus. Lowell konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Die Glieder fingen an zu schmerzen, als würden sie von Ischias und Rheuma geplagt. Ihm war, als würde er schrumpfen. Luftbeschwerden machten sich bemerkbar. Sein Atem rasselte wie der eines Asthmatikers. Ein Grauschleier schien sich über seine Augen zu legen. Er sah auf einmal schlecht, und mit seinem Hörvermögen war es genauso.
    Großer Gott, dachte Lowell, was ist los mit mir? Dieser Mann… Er hat… Er ist…
    Das Nachdenken fiel ihm von Augenblick zu Augenblick schwerer. Alles fiel ihm schwerer, vor allen Dingen das Stehen, das ihn unendlich anstrengte.
    Schlafen, dachte er, schlafen…
    Herbert Lowell sank zu Boden. Und dabei wußte er genau, daß es ihm niemals wieder gelingen würde aufzustehen.
    ***
    »… steht es völlig außer Zweifel, daß die großen Alchimisten des Mittelalters wirklich in der Lage waren, sozusagen aus Dreck Gold zu machen. Silvanus Terranius zum Beispiel…«
    Das Telefon auf seinem Schreibtisch schrillte und brachte Professor Zamorra aus dem Konzept. Er schaltete das Diktiergerät ab, in das er gerade ein Kapitel seines neuen Buchs sprach, und griff nach dem Hörer.
    »Zamorra!«
    »Gouillon hier.«
    André Gouillon war der Polizeipräfekt von Paris, auf dessen Anruf Zamorra bereits seit einigen Tagen vergeblich gewartet hatte.
    »Gibt es etwas

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