0122 - Nachts, wenn der Todesbote kommt ...
vor dem bevorstehenden Geschehnis momentan verdrängt und konzentrierte sich ganz auf seine Tätigkeit.
Nach einer knappen Viertelstunde lag der Sarg frei, ein schmuckloses braunes Etwas ohne irgendwelche Zierart. Kevin Plant stand darauf wie ein Triumphator.
»Und jetzt?« rief er nach oben.
»Raus mit dem Ding«, wies Antonescu ihn und seinen Komplizen an.
Das Hochwuchten des Sarges war eine mühsame Angelegenheit. Selbst Kevin Plant, der Kräfte hatte wie ein Bär, kam schwer dabei ins Schwitzen.
»Ein paar Seile hättest du auch noch besorgen können«, rügte er ächzend.
Gheorghe Antonescu legte selbst mit Hand an. Und mit vereinten Kräften schafften es die drei Männer schließlich, den Sarg an die Oberfläche zu bringen.
»Hier auf den Weg«, ordnete Antonescu an.
Wenig später stand der Sarg auf dem Kiesweg zwischen den Gräberreihen. An einigen Stellen haftete noch feuchtes Erdreich, das jetzt teilweise abbröckelte.
»Aufmachen!« sagte der Magier.
Buzz Fetterman trat schnell zwei Schritte zurück.
»Mach du das, Kevin«, murmelte er. »Du bist der bessere Handwerker von uns beiden.«
Der bullige Gangster griente. »Hast die Hosen gestrichen voll, was, alter Junge?«
Er selbst hatte keinerlei Hemmungen, die Anweisungen Antonescus zu befolgen. Er kniete nieder und machte sich am Verschluß des Sarges zu schaffen. Seine Bemühungen blieben jedoch erfolglos.
»Verdammt«, fluchte er, »ich kriege das Ding nicht auf. Scheint, daß der Herr nicht gestört werden will. Aber warte, alter Freund, das haben wir gleich!«
Er richtete sich auf und griff wieder nach dem Spaten. Dann hob er den Arm und schmetterte die scharfe Kante des Werkzeugs mit aller Wucht gegen den Verschluß.
Wie ein Pistolenschuß hallte es durch die Nacht.
Buzz Fetterman zuckte zusammen. »Mensch, nicht so laut! Willst du, daß einer kommt und…?«
»Sorry«, sagte Plant. Dann schlug er erneut zu.
Beim dritten Versuch hatte er endlich Erfolg. Der Verschluß sprang auf.
Plant machte eine einladende Handbewegung. »Bedien dich, Anthony. Jetzt bist du dran!« Er warf den Spaten weg und blickte Antonescu gespannt an.
Gheorghe Antonescu warf wieder einen prüfenden Blick auf seine Uhr.
Zehn Minuten vor Mitternacht… Noch etwas Zeit also.
»Na, hast du Angst vor deiner eigenen Courage, Anthony?« lachte Kevin Plant.
Antonescu bedachte ihn nur mit einem verächtlichen Blick. Er betrachtete es als unter seiner Würde, zu dieser Bemerkung Stellung zu nehmen. Entschlossen trat er an den Sarg heran und klappte den Deckel auf.
Die Beleuchtungsverhältnisse waren ausgesprochen schlecht. Nur das Licht des nicht ganz vollen Mondes sorgte für Sichtmöglichkeiten. Antonescu sorgte für Abhilfe, indem er von einem der Nachbargräber eine Totenlateme mit einer brennenden Kerze holte. Anschließend beugte er sich über den offenen Sarg.
Jetzt konnte er den Toten deutlich sehen, einen etwa fünfundvierzigjährigen, kräftigen Mann mit scharfen Gesichtszügen. Er war bekleidet mit einem weißen Totenhemd. In verkrümmter Haltung, halb auf der Seite, lag er im Sarg. Bedingt durch den Transport war der Leichnam offenbar verrutscht. Die wohl ehemals vor der Brust gefalteten Hände waren auseinandergeglitten und wirkten jetzt wie die Krallen eines Raubtieres.
Dann war es Punkt Mitternacht.
Gheorghe Antonescu begann mit der Leichenbeschwörung.
***
Unruhig wälzte sich Roberta Giordano in den Kissen. Sie konnte und konnte nicht einschlafen.
Nicht zum ersten Mal in diesen Tagen litt sie an Schlaflosigkeit. Der Schock, daß sich ihr geliebter Vater als Gangster entpuppt hatte, saß tief.
So richtig wollte sie es noch immer nicht glauben. Zum hundertsten Mal versuchte sie, sich einzureden, daß alles nur ein großer Irrtum war, daß sich die Polizei geirrt hatte und ihr Vater auf Grund eines bedauerlichen Mißverständnisses erschossen worden war. Aber auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, so wußte sie in ihrem Innersten doch, daß es keinen Zweck hatte, sich selbst Sand in die Augen zu streuen. Ihr Vater war ein Gangster gewesen und kein seriöser Geschäftsmann, wie sie Zeit ihres Lebens gedacht hatte!
Sie war sich im klaren darüber, daß sich ihr Leben von nun an grundlegend ändern würde. Sie hatte Geld, natürlich. Auch abgesehen von einer gewissen Million, die die Polizei fieberhaft suchte, hatte ihr Vater wohlgefüllte Bankkonten zurückgelassen. Aber Roberta fragte sich, ob sie das Recht hatte, das Erbe anzunehmen. Der
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