0125 - Der Leichenbrunnen
verfluchter…«
»Hör auf«, sagte der Pfarrer. »Versündige dich nicht durch dein Fluchen.«
Als nächster sprach der Stämmige. »Du hast getötet, Baxman. Nicht nur einen Menschen, sondern mehrere. Du hast sie ermordet und in deinen Brunnen geworfen. Stimmt es?«
»Nein!« keuchte Baxman. »Ihr irrt euch. Ich habe nichts dergleichen getan. Ich schwöre…«
»Bei wem schwörst du? Bei Gott oder beim Teufel?« rief der Pfarrer schneidend.
Baxman verstummte.
»Sag es!« zischte Finch. »Raus damit!«
»Beim…« Baxman holte tief Luft. »Ich schwöre beim … Teufel!«
Nach seinen Worten war es still. Aber nur wenige Herzschläge lang. Dann schrie Lionel Finch auf. »Da seht ihr es. Er hat beim Teufel geschworen, er ist ein Diener des Satans!« Er schaute den Pfarrer an. »Was sagen Sie dazu?«
Der Pfarrer nickte bedächtig.
»Dafür gibt es nur eine Strafe«, fuhr Lionel fort. »Den Tod!«
»Aber ich habe nicht gemordet!« kreischte Baxman. »Ich habe nichts getan!«
»Und woher stammt das Blut an deinen Händen?« erkundigte sich der Pfarrer leise.
Baxman rollte mit den Augen und schaute auf seine Finger. »Ich weiß es nicht…«
Der Stämmige nahm das Messer von der Kehle weg und drehte die Klinge, so daß die Spitze auf Baxmans Gesicht wies. »Weißt du es wirklich nicht?«
»Ja, ja, jetzt fällt es mir wieder ein.«
»Und?«
»Ich habe einen Hasen geschlachtet.«
Die vier Männer lachten, was bewies, daß sie dem Kerl kein Wort glaubten.
»Nein!« knirschte der Pfarrer. »Das ist Menschenblut. Und Gott wird dich strafen!«
Der Stämmige griff ein. Mit der freien Hand packte er Baxmans Schulter und schleuderte den Mann vom Stuhl. Schwer fiel er zu Boden.
»Komm hoch!«
Baxman gehorchte.
Wankend blieb er stehen. Sein Blick glitt von einem zum anderen.
Angst flackerte in seinen Augen. Er merkte, daß er von den vier Häschern keine Gnade zu erwarten hatte.
Aber hatte er Gnade gekannt?
Nein! Und deshalb würde er seine Strafe bekommen. Die Gesetze in dieser Zeit waren hart, sehr hart sogar.
»Geh raus!«
Baxman dreht sich. Zwei Männer traten zur Seite, damit er eine Lücke fand und zur Tür gehen konnte. Er schritt hindurch, und die Verfolger blieben dicht hinter ihm, wobei Baxman hin und wieder die Messerspitze im Rücken spürte.
Er hatte gewußt, daß es einmal so kommen würde. Lange genug hatten die anderen seinem Treiben zugesehen. Jetzt kam es darauf an, wie der Satan reagierte. Ob er seine Opfer angenommen hatte und ihn belohnen würde.
Wenn er ganz genau darüber nachdachte, so hatte er vor dem Tod keine große Angst – er war nur neugierig, ob der Plan nun endlich aufging oder nicht.
Vor dem Brunnen mußte er stehenbleiben.
»Dreh dich!« befahl der Stämmige.
Baxman gehorchte.
Wie eine Wand standen sie vor ihm. Die drei Dörfler und der Priester. Letzterer hielt das goldene Kreuz, es stammte noch aus der Hochblüte des Rittertums, die bereits einige hundert Jahre zurücklag.
Baxman senkte den Blick. Er wollte das Kreuz nicht ansehen, es bereitete ihm Unbehagen.
»Hast du noch einen Wunsch?« fragte der Priester.
»Ja.«
»Dann rede!«
»Ich hoffe, daß der Teufel mich und meine Seele annimmt. Wenn er es tut, wird irgendwann die Zeit kommen, wo eure Nachfahren das bereuen, was ihr verschuldet habt.«
»Er redet Unsinn!« zischte Lionel Finch und zog sein Schwert.
Der Pfarrer nickte.
Die Männer stießen zu. Auf dieses Zeichen hatten sie nur gewartet. Weit riß Baxman die Augen auf, ein Blutfaden rann aus seinem rechten Mundwinkel, dann brach er zusammen.
Tot…
»Gott verzeih uns«, flüsterte der Pfarrer und wandte sich ab.
Die übrigen drei Männer hievten die Leiche hoch und kippten sie in den Brunnen.
Dann geschah etwas Schreckliches.
Der Tote hatte den Grund noch nicht erreicht, als ein markerschütternder Schrei aufklang.
Er drang aus dem Brunnen und fegte ein hohles Echo aus der Öffnung.
Die Männer sprangen zurück.
»Aber er war doch tot«, flüsterte der Stämmige.
Die anderen nickten, und Lionel Finch sagte: »Lieber Gott, was haben wir getan…?«
***
Diese Tat geschah im Jahre 1651, zwei Jahre nach Beendigung des zweiten Englischen Bürgerkrieges und der Enthauptung König Karls I. zu Whitehall. Von Baxman hörte man nie wieder etwas.
Doch über 300 Jahre später lüftete der Leichenbrunnen sein grauenvolles Geheimnis…
***
Die Wände waren lindgrün tapeziert, die Sitzmöbel bestanden aus Holz und beigefarbenem Leder, das
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