0125 - Der Leichenbrunnen
plötzlich.
»Was ist?«
»Der Wald ist auch so gefährlich. Da… da soll er nämlich wohnen.«
»Und wer ist er?« fragte der Arzt.
»Baxman!«
Cora Bendix sagte uns einen Namen, den wir beide nie zuvor gehört hatten. Auch ich wußte mit Baxman nicht viel anzufangen.
Ausgerechnet er sollte im tiefen Wald leben und gefährlich sein?
»Was hat dieser Baxman denn getan?« wollte Dr. Stradford wissen.
»Im Dorf spricht man viel über den Köhler. Er soll getötet und die Leichen in einen Brunnen geworfen haben.«
»Stimmt das?«
»Man spricht davon.«
»Und deshalb hast du vor ihm Angst.«
»Ja.«
»Aber warum bist du zu ihm gegangen?« forschte der Psychologe weiter.
»Weil ich nicht in den Sumpf wollte. Ich kenne ihn nicht, und davor habe ich noch mehr Angst.«
»Du bist also in den Wald und auch zu diesem Baxman gelaufen. Was hat er mit dir gemacht?«
»Ich… ich traf ihn am Brunnen. Dabei wollte ich gar nicht in sein Haus, aber er kam aus der Tür und sah mich.« Plötzlich begann ihre Stimme zu zittern. Jeder von uns spürte die Angst, die in ihr mitschwang. Kamen wir jetzt zum Abschluß dieser schlimmen Geschichte?
»Rede weiter, Cora, bitte!« forderte der Psychologe sie auf.
»Ja, ich… ich will ja …«
»Und warum sprichst du nicht?«
Ich sah, daß Coras Gesicht schweißbedeckt war. Unruhig warf sie sich auf der Liege hin und her. Irgend etwas mußte sie schwer mitnehmen. Sie atmete röchelnd.
»Rede!«
»Aber ich…« Cora war ungeheuer erregt. Sie klammerte ihre Finger ineinander, stöhnte und flüsterte Worte, die wir nicht verstanden. Sie schwitzte noch stärker. Die Kleidung klebte an Ihrem Körper. Und plötzlich zuckte sie zusammen, zog ihre Beine an und machte sich so klein wie möglich, wobei sie beide Arme hob, um ihr Gesicht vor unsichtbaren Schlägen zu schützen.
»Nein, bitte, Gnade, Erbarmen…« Stammelnd und stockend flossen die Worte aus ihrem Mund.
»Was ist geschehen?« fragte der Psychologe.
»Er steht vor mir. Baxman…«
»Was ist mit ihm?«
»Er – er will mich töten. Er hat die Axt bei sich!«
***
Vor zehn Jahren hatte er zur Beat-Generation gehört. Da war nichts vor ihm sicher.
Er hatte sich ausgetobt, stand politisch links und haßte alles, was nach bürgerlichem Mief und Monarchie stank. Er hatte das Oberhaus auflösen und eine Räte-Regierung einführen wollen, und die Queen samt Gefolge sollte auf irgendeine Südseeinsel umziehen.
Nun, die Zeit ging vorbei, und als der Vater ihm den monatlichen Scheck sperrte, weil die Aktivitäten seines Sohnes auch ihm, dem bekannten Anwalt, schadeten, war Lionel Finch zur Besinnung gekommen.
Mit der gleichen Aktivität, die er als Protestler gezeigt hatte, warf er sich nun in sein Studium.
Jura in Oxford.
Und er packte es.
Lionel Finch machte sein Examen mit einer glatten Eins, der Alte war stolz und nahm seinen Sohn mit offenen Armen in die Anwaltskanzlei auf. Hier lernte Lionel schnell. Nach wenigen Monaten kannte er alle Tricks und Kniffe, lernte die Schlechtigkeiten der Menschen kennen und stellte fest, daß immer der gewann, der das meiste Geld besaß.
Aber verdammt noch mal, es mußte doch Gerechtigkeit geben!
Lionel Finch klemmte sich dahinter. Er wurde plötzlich ein Anwalt für die Armen, was seinem Vater gar nicht paßte, der große Konzerne davor bewahrte, Steuerschulden zu bezahlen.
Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn.
Lionel reagierte und trat aus der Firma. Er machte sich mit 29 Jahren selbständig.
Im Arbeiter- und Farbigenviertel des Londoner Nordens ließ er sich nieder. Und er trat mit ungeheurer Energie für die Rechte der Armen ein. Lionel gewann einige Prozesse. Schon bald las man seinen Namen in den Zeitungen, als er auch die Reichen und die Großkonzerne anging.
Sein Job war verdammt anstrengend. Als Ausgleich spielte er Fußball, und dieser harte Sport hielt ihn fit.
Verheiratet war er mit seinen 30 Jahren nicht, dafür lag eine geplatzte Verlobung hinter ihm. Der schönen, aus einer reichen Familie stammenden Myrna paßte es nicht, daß er sich mit den Armen abgab. Sie heiratete einen Lord.
Sollte sie.
Dann kam die Zeit, die das Leben des jungen Anwalts veränderte. Alpträume plagten ihn.
Es waren immer die gleichen. Er sah sich in einer alten Hütte und einen Mann bedrohen. Aber er war nicht allein. Noch drei Freunde von ihm standen daneben.
Einer war sogar ein Geistlicher.
Was passierte?
Der Mann wurde aus der Hütte getrieben und brutal
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