0127 - Die Eisvampire
»Verflucht ist alles. Verflucht.« Auffordernd schaute er Max Berger an, der seine Schultern hob.
»Ob es ein Vampir war, weiß ich nicht.« Dabei blickte er mich an und wartete auf eine Antwort.
Ich tat ihm den Gefallen. »Wahrscheinlich war es einer«, log ich.
»Dann muß die Polizei her!«
»Nein, Herr Berger. Das erledige ich. Suchen Sie weiter das Gelände ab, und geben Sie mir nur den Schlüssel.«
»Den habe ich nicht.«
Er zog ein so zerknirschtes Gesicht, daß ich ihm sogar glaubte.
Der Huber Karl wollte überhaupt nicht mehr zu Fuß gehen, solch eine große Angst hatte er. Er wollte die Seilbahn nehmen, doch dagegen war wiederum Max Berger.
»Nein, wir müssen uns an das halten, was wir den anderen gesagt haben.«
Sie redeten hin und her. Schließlich setzte sich Max Berger durch.
»Aber seien Sie vorsichtig«, gab ich ihnen noch den Rat mit auf den Weg.
»Da hätten Sie mehr Grund.«
»Ich bin das gewohnt.«
Berger schluckte. Er wollte noch etwas fragen, schüttelte aber den Kopf und ging.
Ich wartete, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Karl Huber redete dauernd auf den jungen Berger ein. Der Knabe mit der roten Nase hatte einen Schock fürs Leben bekommen.
Ich schlug den Weg zu den Eishöhlen ein.
Er war gar nicht einfach zu gehen. Der Boden präsentierte sich als steinige Stolperstrecke. Die hellen Steine waren fast im Lehm verwachsen. Von der Station aus schien es nur ein Katzensprung zu den Höhlen zu sein, doch ich war immerhin zehn Minuten unterwegs. So können Entfernungen täuschen. Besonders, wenn der Weg in Serpentinen verlief.
Es war still. Still und dunkel. Von Myxin sah ich keinen Mantelzipfel mehr. Er hatte sich wieder zurückgezogen, würde aber sicherlich zur Stelle sein, wenn er gebraucht wurde.
Der Weg lief vor der Höhle zu einem kleinen Plateau aus. Vor mir ragte eine Felswand steil in die Höhe. Ich schaute an ihr hoch und konnte die Spitze nicht erkennen.
An einem kleinen Kartenhäuschen vorbei ging ich auf die grau gestrichene Eingangstür der Höhle zu.
Ein wenig flau war mir schon im Magen. Ich würde bald eine mir völlig unbekannte Gegend betreten und war nicht sicher, ob ich den Berg jemals lebend wieder verließ.
Aber das war das Risiko in meinem Job.
Vor der Tür blieb ich stehen.
Unter der Ritze schimmerte sogar Licht. Demnach mußte schon jemand vor mir in der Höhle gewesen sein.
Ich legte meine Hand auf die Klinke und drückte die Tür auf.
Alles schien für einen Besuch vorbereitet. Die Tür schwang leicht nach innen, und ich schaute in einen Gang, der vor einer weiteren Tür endete.
Rasch hatte ich ihn durchquert. Schon hier merkte ich den Temperaturunterschied. Es war wesentlich kälter geworden.
Die nächste Tür war ebenfalls nicht verschlossen.
Dahinter begann die eigentliche Höhle, die ich ein wenig zögernd betrat…
***
Hanni schaute des öfteren auf ihre Uhr. Himmel, es wurde Zeit, daß die Ablösung kam. Ihr Vater wollte die Rezeption übernehmen, damit Hanni den Abend bei ihren zukünftigen Schwiegereltern verbringen konnte.
Endlich kam ihr Vater.
Erich Kerner war ein stattlicher Herr in den Fünfzigern. Sein graues Haar trug er sorgfältig frisiert, und der Trachtenanzug stand ihm ausgezeichnet.
»Hast du schon auf mich gewartet?« fragte er lächelnd.
»Und wie.«
»Ja, ja, die jungen Leute. Haben es immer eilig. Triffst du deinen Max?«
»Sicher.«
»Dann bestell ihm einen schönen Gruß von mir.«
»Mach ich, Vater.« Hanni hatte noch ein paar geschäftliche Dinge mit ihrem Vater zu besprechen. Danach nahm sie ihre Tasche, hauchte dem Mann noch einen Kuß auf die Wange und verschwand.
Ihr VW-Käfer stand hinten in der letzten Reihe des halbleeren Parkplatzes. Sie hätte die Strecke auch zu Fuß gehen können, doch da sie es eilig hatte, wollte sie mit dem Auto fahren.
Oft dachte sie an Toni Berger. Ob man ihn endlich gefunden hatte? Bestimmt, der Toni war ein Mann vom Dachstein. Den brachte so leicht nichts um.
Ein dummes Gefühl blieb trotzdem zurück.
Da Hallstadt in einem engen Tal lag, wurde es auch früher dunkler. Der Betrieb hatte der Zeit entsprechend nachgelassen. Es waren nicht mehr so viele Touristen und auch Wagen unterwegs. Hanni hatte freie Fahrt.
Sie bog von der Hauptstraße nach links in eine schmale Gasse ein, in der ein Andenkenladen neben dem anderen stand. Hier schoben sich in der Hochsaison die Touristen durch, jetzt aber war alles ruhig.
Hanni rauchte während der Fahrt eine Zigarette,
Weitere Kostenlose Bücher