0127 - Die Eisvampire
flüsterte den Namen ihres Mannes.
Toni reagierte zwar, aber anders, als Clara es sich vorgestellt hatte. Er sprach kein Wort, sondern ging auf seine Frau zu. Seine Schritte waren seltsam schlurfend, die Bewegungen irgendwie abgehackt, steifbeinig.
So ging er normalerweise nicht.
Plötzlich war Clara ihr eigener Mann fremd.
Etwas stimmte nicht mit ihm, das sah sie ganze deutlich. Toni war verändert. Er redete nicht, sondern ging nur stur geradeaus.
»Toni, bitte…«, sie schluckte. »So sag doch etwas, Toni. Mein Gott, was …« Clara stockte und verstummte schließlich. Ihr Mann war jetzt so nah, daß sie sein Gesicht sehen konnte.
Und Clara erschrak.
War das wirklich noch ihr Ehemann, mit dem sie Freud und Leid teilte? Dieses bleiche, hagere Gesicht und die glitzernden Augen, die sie beinahe gierig musterten.
Dann war er vor ihr.
Er blieb stehen.
»Toni, was hast du denn? Warum sagst du denn nichts? Was ist geschehen, Toni?«
Ihr Mann streckte seinen Arm aus. Clara rührte sich nicht, als die Hand auf ihr Gesicht zufuhr und seine Finger die Haut berührten.
Kalte Finger.
Wie Totenhände…
Clara erschrak. Ihre Haut zog sich regelrecht zusammen, und ein Gefühl der Angst durchströmte sie.
Das war zwar Toni, aber dennoch ein Fremder. So hatte sie ihn nie kennengelernt. Er war wie verwandelt, ein anderer, ein gefährlicher…
Clara ruckte zurück. Sie wollte die Finger nicht mehr spüren, sie ekelte sich plötzlich davor, doch Toni stieß ein leises Lachen aus.
»Nein«, flüsterte er, »du gehörst mir. Du bist mein Opfer!«
»Toni!« Claras Stimme klang schrill, die ersten Anzeichen einer Panik schwangen bereits mit. Clara schüttelte sich, sie begann am gesamten Körper zu zittern, als sie die kalte Kellerwand im Rücken spürte.
Und dann griff Toni Berger zu.
Sein Arm stieß vor, die Hand war zur Klaue gekrümmt, und sie umklammerte den Hals der Frau.
Clara hatte nie damit gerechnet. Plötzlich wurde ihr die Luft abgeschnitten, ein Würgen drang noch über ihre Lippen, das in einem Röcheln endete.
Berger aber lachte.
Er drückte weiter zu, und seine Frau sank langsam in die Knie.
Sie hatte die Augen weit aufgerissen, schaute genau in das Gesicht ihres Mannes und sah plötzlich, wie er die Lippen öffnete und zwei lange, spitze Zähne sehen ließ.
Dieses Gebiß verunstaltete das Gesicht derart, daß es eine reine Fratze war.
Er bringt mich um, dieser Satan!
Der Gedanke schoß wie eine lodernde Flamme in der Frau hoch und aktivierte gleichzeitig Reserven.
Auf einmal konnte sie wieder denken, und ihr fiel ein, daß sie noch die volle Weinflasche in der rechten Hand hielt. Wenn es anders nicht ging, mußte sie eben zu diesem Mittel greifen.
Sie hob den rechten Arm an und schwang die Flasche herum.
Clara mußte sich beeilen, denn die Luft wurde immer knapper. Die schreckliche Fratze näherte sich ihrem Gesicht, sie nahm einen widerlichen Geruch wahr und schüttelte sich.
Dann drosch sie zu.
Schräg von der Seite her hämmerte sie die volle Flasche gegen den Schädel des Vampirs.
Es gab einen dumpfen Laut. Von der Wucht des Treffers wurde der Kopf zur Seite geschleudert, doch mehr geschah nicht. Der Vampir ließ nicht los.
Wieder hob Clara den Arm.
Ein zweitesmal traf sie.
Diesmal war der Schlag noch kräftiger geführt worden, die Flasche zerbrach sogar, und der rote Wein ergoß sich über den Kopf des Vampirs, wo er wirkte wie Blut.
Dieser Hieb schüttelte selbst den Blutsauger durch. Er ließ Clara los und hob den freien Arm, um sich mit der Hand über das Gesicht zu wischen.
Jetzt hätte Clara eine reale Fluchtchance gehabt, doch sie war zu schwach, um sich von der Stelle bewegen zu können. Sie stand nur da, atmete keuchend, hatte die Augen weit aufgerissen und starrte auf ihren Mann.
Nein, das war nicht Toni, der da vor ihr stand. Sie sah sich einer blutgierigen Bestie gegenüber.
»Ich kriege dich!« keuchte Berger. »Ich will Blut – dein Blut!«
Diese harten Worte schreckten die Frau auf. Sie löste ihre Starre, und abermals hob sie den rechten Arm.
Diesmal jedoch paßte der Vampir auf. Zwei Schläge hatten ihm gereicht. Den dritten unterlief er.
Die Flasche zischte an seinem Kopf vorbei und streifte ihn nur an der Schulter.
Dafür ging er die Frau voll an.
Er warf seinen Körper vor und wuchtete Clara gegen die weißgetünchte Kellerwand.
Ihr Kopf flog zurück. Sie spürte einen ziehenden Schmerz im Schädel, der für Sekunden all ihre Gedanken überschwemmte.
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