0131 - Der elektrische Stuhl wartet
glauben trotzdem nicht an einen Raubmord. Ich möchte den Mann sehen, der sich ausgerechnet zwei Berufskollegen als Opfer aussucht. Ein kleiner schwächlicher Bankbote oder ein schöner fetter Geschäftsmann, der mit der Tageskasse nach Hause geht, wären sichere Opfer gewesen und hätten mehr Beute versprochen.«
Aldous Hunter lächelte höhnisch. »Entschuldigen Sie, wenn ich mich in die Mentalität von Gangstern nicht so hineindenken kann wie Sie. Sonst noch Fragen?«
»Nein«, sagte ich.
»Nein«, sagte Phil grimmig, »aber noch eine kleine Warnung. Wenn wir mal ernsthafte Differenzen mit Ihnen bekommen sollten, Hunter, dann werde ich keine Rücksicht auf Ihren feinen Anzug nehmen.«
Hunter stand auf.
»Das war wieder eine Drohung«, erklärte er würdevoll. »Ich werde mich über Sie beschwer den, Mr. Decker.«
»Warum mußtest du ihn herausfordern«, sagte ich zu Phil, als wir draußen vor dem Splendid-Hotel in unseren Wagen stiegen. »Er wird sich tatsächlich beschweren, und Mister High muß dir dann wohl oder übel eine Zigarre verpassen.«
»Der Bursche reizt mich bis aufs Blut«, antwortete Phil mürrisch. »Gerade weil er so geschniegelt und gestriegelt ist, kann ich den Kerl nicht ansehen, ohne mir zu wünschen, ihn so herrichten zu dürfen, daß sein Äußeres zu seinem Charakter paßt.«
Ich kannte meinen relativ gemütlichen Freund Phil nicht wieder.
Wir belästigten im Laufe des Tages bei unseren Bemühungen, die letzten Stunden des Lebenslaufes von Cabozzi und Padreiras zu klären, eine Menge Leute. Wir schnüffelten in der Gegend herum, in der Carlo Cabozzi zu Hause gewesen war, aber es ist verdammt schwer, in der Riesenstadt etwas über einen einzelnen Menschen zu erfahren. Trotzdem wußten wir am Abend ziemlich genau, was sich abgespielt hatte, aber das war nicht unser Verdienst, sondern wir erfuhren es auf eine ganz banale Weise.
Die Mittagsausgaben der Zeitungen hatten über den Doppelmord in Brighton-Beach berichtet. Der Reporter der ›Daily‹ hatte sich aus dem Archiv des Staatsgefängnis ein Bild Cabozzis beschafft. Die Zeitung brachte das Bild, und zwei Stunden nach Erscheinen des Blattes rief der Besitzer eines kleinen Hotels bei uns an.
»Einer meiner Angestellten sagt, er habe den Mann, der ermordet wurde, gestern abend in meinem Hotel gesehen.«
Das war eine Nachricht, die eine Menge wert war. Wir fuhren sofort zu dem Hotel und vernahmen den Angestellten.
»Er wartete hier, bis einer unserer Gäste hinunterkam«, erzählte der Mann. »Sie setzten sich an den Tisch, sprachen miteinander, aber ich konnte nicht verstehen, worüber sie sich unterhielten. Ich hatte den Eindruck, als sei unser Gast über den Besuch nicht sehr erbaut. Der Besucher, dieser Cabozzi, bestellte zwei Drinks, aber nur er trank. Schließlich gingen sie zusammen fort.«
»Wie heißt Ihr Gast?«
»Er trug sich als Thomas Wester ein, aber ich weiß nicht, ob das sein richtiger Name ist.«
»Das werden wir feststellen. Welches Zimmer hat er?«
»Nr. 8«, antwortete der Angestellte, »aber das wird Ihnen wenig nützen. Er ist gestern nacht nicht mehr nach Hause gekommen.«
Jetzt wurde die Fährte plötzlich heiß. Wir ließen uns das Zimmer zeigen und untersuchten es genau. Als wir auf einen Packen Papiere stießen, die mit einem gewöhnlichen Bindfaden zusammengebunden waren und unter der Wäsche lagen, erfuhren wir rasch den wirklichen Namen des Mannes: Thomas Evans. Der Entlassungsschein aus dem Staatsgefängnis war auf diesen Namen ausgestellt. Und noch eine interessante Information lieferten uns die Papiere. Es befand sich ein Brief darunter, der offensichtlich von einer Frauenhand geschrieben war, und er schien an einem Montag nach einem sicherlich schönen Wochenende verfasst worden zu sein.
Vielleicht haben Sie auch schon mal so einen Brief bekommen, auf den Firmenbogen heimlich geschrieben, weil das Mädchen Sie noch sehr im Sinne hatte und Ihnen das unbedingt rasch mitteilen wollte.
Der Brief fing an mit .Dearest Tom' und endete mit ,For ever Ann‘, und dazwischen stand eine Menge süßer Sachen, aber die interessierten uns nicht die Bohne. Uns interessierte der Briefkopf. »South-Import Ltm. New York«, 110. W. Straße 5798 Telefonverbindung… usw. usw.
Wir sagten dem Hotelier, daß sein Hotel für eine Nacht auf das Zimmer verzichten müsse. Phil fuhr ins Hauptquartier zum Archiv, und ich nahm ein Taxi und ließ mich zur 110. Straße fahren.
»Haben Sie eine Angestellte, die Ann mit
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