0135 - Der Moloch
Beulen, die Federung wurde arg strapaziert, aber das hielt der Wagen durch.
Links wuchs eine Hecke bis dicht an die Fahrbahn. Sie schirmte die Gärten ab. Rechter Hand sahen die beiden Frauen zwei einsam stehende Häuser.
Eine scharfe Kurve.
Jane nahm sie ziemlich schnell. Die Hinterreifen radierten über den Asphalt, quietschten.
Und da trat Jane Collins hart auf die Bremse.
Mitten auf der Straße stand ein Hindernis.
Der Leichenwagen!
***
Janes VW-Käfer rutschte noch einige Yards vor, dann kam er zur Ruhe. Beide Frauen wurden in die Gurte gepreßt und fielen wieder zurück. Sekundenlang sprach keine von ihnen ein Wort. Sie mußten den Schock erst einmal verdauen.
»Ich habe es geahnt«, flüsterte Shao, und eine Gänsehaut rann über ihren Körper. »Ich habe es wirklich geahnt. Dieser Leichenwagen verfolgte uns nicht umsonst.«
Jane nickte.
Sie überlegte fieberhaft. Was wollte man von ihnen? Weshalb stand das Fahrzeug hier auf einsamer Strecke, wo kaum ein Wagen herfuhr und Hilfe demnach nicht zu erwarten war.
»Was tun wir?« fragte Shao.
»Vorbei können wir nicht«, sagte Jane leise. »Links ist die Hecke, rechts der Graben. Wenn wir da einmal drinstecken, kommen wir nicht raus.«
»Warten, bis er wegfährt«, murmelte Shao.
»Vielleicht.«
»Was meinst du damit?«
Jane ließ sich Zeit mit der Antwort. Im Wagen war es still geworden. Man hätte die berühmte Stecknadel hören können, wenn sie zu Boden fiel. »Ich werde aussteigen.«
»Nein«, schnappte Shao, »das ist viel zu gefährlich. Zudem hast du keine Waffe bei dir.«
»Ja, das stimmt auch.« Jane hob die Schultern. »Aber ewig können wir hier nicht stehenbleiben.«
Die beiden Frauen beobachteten den Wagen. Die Scheiben waren tatsächlich sehr dunkel getönt. Sie konnten kaum in das Innere des Führerhauses schauen. Trotzdem hätten sie die Umrisse des Fahrers sehen müssen. Doch da war nichts.
Der Leichenwagen stammte aus Germany. Ein deutsches Fabrikat der Marke Mercedes. Der Stern blitzte auf der Kühlerschnauze.
Schräg fielen die Sonnenstrahlen auf den Lack und machten unzählige Staubkörnchen sichtbar.
»Vielleicht transportiert er einen Toten«, meinte Shao.
»Willst du nachschauen?«
»Auf keinen Fall.«
»Aber dann sind wir sicher.«
»Ist das so wichtig?« erkundigte sich Shao. »Tu mir einen Gefallen, Jane, fahr zurück. Wir nehmen einen anderen Weg.«
Die blonde Detektivin nickte. »Das wäre natürlich eine Möglichkeit. Ich sage bewußt eine…«
»Und die andere?«
»Ich schaue mal nach.«
»Was? Bist du lebensmüde?«
»Nein, wieso?«
Shao atmete schneller. »Das ist viel zu gefährlich. Wer weiß, was der geladen hat.«
»Das will ich ja herausbekommen.« Jane schaute die Chinesin an.
»Du deckst mir den Rücken, Shao. Ich lasse die Wagentür offen und drehe erst einmal.«
Jane fuhr wieder an. Allerdings rückwärts. Es war gar nicht so einfach, auf dem schmalen Weg zu wenden, aber sie schaffte es. Der Wagen wies mit der Kühlerschnauze in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
»Alles klar«, sagte Jane.
»Sei bitte vorsichtig!«
»Sicher doch.« Jane Collins verließ den VW, und auch Shao blieb nicht sitzen. Sie stieg an der anderen Seite aus, ließ die Tür ebenfalls offen und lehnte ihren angewinkelten Arm auf den Holm, während sie der Detektivin nachschaute.
Jane Collins schritt vorsichtig auf den Leichenwagen zu. Sie hatte ein ungutes Gefühl, das man auch mit dem Begriff Angst beschreiben konnte. Aber sie riß sich zusammen. Sie wollte auf keinen Fall nachgeben. Die Neugierde war in ihr erwacht.
Der Wind blies von vorn und preßte den bunten Rock fest gegen ihre Beine. Jane fröstelte plötzlich, es war nicht die Kälte des Windes, der streichelte lauwarm ihre Haut, es war etwas anderes.
Der Leichenwagen.
Er strahlte diese Atmosphäre aus, eine Aura der Kälte, des Bösen.
Der Leichenwagen machte auf Jane Collins einen unheimlichen Eindruck. Jedem Menschen ist ein Leichenwagen nicht geheuer, doch dieses Gefühl war es nicht.
Für Jane stand fest, daß von dem schwarzen Fahrzeug eine regelrechte Bedrohung ausging.
Sie merkte, daß ihr Herz schneller schlug. Obwohl sie bereits zahlreiche gefährliche Abenteuer überstanden hatte, war sie doch nicht so abgebrüht, daß ihr der Anblick des Leichenwagens nichts ausmachte. Sie warf einen Blick zurück.
Shao lehnte am Wagen und lächelte.
Jane lächelte zurück.
Dann stand sie neben dem Mercedes. Sie beugte den Kopf ein wenig nach
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