0135 - Die unheimliche Gräfin
Duval.
»Ja«, sagte de Hory.
»Wird Professor Zamorra es schaffen, Jorma Maduses Geist zu besiegen?« wollte Nicole weiter wissen. Thorley de Hory hob die Schultern. »Das weiß ich nicht. Bis dorthin reichte meine Vision nicht. Ich weiß nur, daß es zwischen Professor Zamorra und Jorma Maduse zu einem Zusammentreffen kommen wird. Aber wie diese gefährliche Konfrontation ausgehen wird, entzieht sich leider meiner Kenntnis.«
»Schade«, sagte Nicole. »Sie erwähnten einen Eisenring«, fuhr sie fort.
»Ja. Es gibt auf dem Schloß einen Geheimgang. Wenn man diesen Eisenring dreht, gibt eine Tür den Gang frei. Das ist der Weg zu dem Mädchen, das von Jorma Maduse gefangengehalten wird…«
»Und die beiden Leichen, von denen Sie sprachen?« forschte Nicole Duval gespannt weiter. »Junge Männer waren es, sagten Sie.«
»Zepar hat sie umgebracht. Sie wollten das Mädchen befreien«, sagte de Hory ernst. »Ich kenne ihre Namen nicht und weiß nicht, wie der Knochenmann sie getötet hat. Ich weiß nur, daß sie nicht mehr am Leben sind.«
»Wie schrecklich«, sagte Nicole.
Auf keinen Fall nachts, hatte Thorley de Hory gesagt. Zamorra glaubte dem Hellseher, daß er bei Tag größere Chancen hatte, Jorma Maduse zur Hölle zu schicken. Deshalb beschloß er, erst bei Tagesanbruch aufzubrechen.
Es fehlten nicht mehr viele Stunden bis zum Morgengrauen.
Der Professor schlug vor, zu Bett zu gehen und die wenigen Stunden dazu zu nützen, um neue Kräfte zu sammeln.
Zamorra konnte gar nicht stark genug sein, wenn es morgen zum Zusammentreffen mit Jorma Maduse kam…
***
Flucht! Der Gedanke an Flucht war das einzige, was Sally Buzzell jetzt noch aufrecht hielt. Seit sie erfahren hatte, daß Sheldon Dreyfuss den Tod gefunden hatte, war sie an Leib und Seele gebrochen. Ein Wrack war sie. Aber ein Wrack, das dennoch nicht sterben wollte - und nichts anderes würde mit ihr geschehen, wenn Jorma Maduse sie mit Hilfe der Schwarzen Magie für ihre teuflischen Zwecke präparierte.
Sie wollte nicht sterben.
Leben wollte sie. Leben!
Mit zitternden Fingern schob sie den Holzspan, den sie abgebrochen hatte, bevor ihr die unheimliche Gräfin erschienen war, ins Schlüsselloch. Doch dann zog sie den Span wieder heraus und legte ihn wie eine Kostbarkeit auf den Boden.
Nun streifte sie ihren Schlafrock hastig ab und schob den Saum unter der dicken Tür hindurch. So weit wie möglich schob sie den Stoff hinaus. Dann griff sie wieder nach dem Span und begann, im Schlüsselloch herumzustochern.
Sie hoffte, daß Jorma Maduse nichts davon ahnte.
Unglaublich aufgeregt war sie. Jenseits dieser Tür lag ein winziges Stückchen Freiheit. Vielleicht schaffte sie es, mehr davon zu bekommen.
Vielleicht gelang es ihr, Watford Castle zu verlassen. Nichts wünschte sie sich mehr als das.
Nervös stocherte sie mit dem Holzspan im Schloß herum.
Der große Schlüssel wollte sich nicht bewegen lassen. Ein kalter Schweißfilm legte sich auf die Stirn des Mädchens.
Ihr Leben hing davon ab, daß sie den Schlüssel an sich brachte!
Endlich bewegte er sich. Sally Buzzell hielt den Atem an. Sie biß sich auf die Unterlippe und arbeitete fieberhaft weiter.
Abermals veränderte der Schlüssel seine Stellung geringfügig. Sally Buzzell hatte das Gefühl, ihr Herz würde hoch oben im Hals schlagen.
Du schaffst es! hallte es in ihrem Kopf. Es wird dir gelingen! Gleich kannst du den Schlüssel aus dem Schloß stoßen.
Augenblicke später passierte es. Der Span schubste den schweren Schlüssel aus dem Schlüsselloch.
Der Schlüssel fiel auf Sally Buzzells Schlafrock.
Hastig krallte das Mädchen die Finger in den weichen Stoff. Behutsam zog sie den Schlafrock unter der Tür durch.
Ihr Herz übersprang einen Schlag, als sie kurz darauf den begehrten Schlüssel in ihrer feuchten Hand hielt.
Rasch schlüpfte sie wieder in ihren Schlafrock. Dann schob sie den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn mit vibrierenden Nerven herum.
Sie hätte beinahe einen Freudenschrei ausgestoßen, als sich wenig später die schwere Tür öffnen ließ.
Du bist noch nicht verloren! sagte ihr eine innere Stimme. Von diesem Augenblick an steigen deine Chancen wieder.
Mit heftig pochendem Puls trat sie aus dem Kerker und tastete sich den finsteren Verliesgang entlang.
Der Gang endete vor einer kalten Steinmauer. Sally Buzzell fragte sich, wie das möglich war. Sie wußte noch haargenau, daß Zepar und Taras sie aus dieser Richtung angeschleppt hatten.
Panik stieg
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