0135 - Die unheimliche Gräfin
Buzzell auf dem kalten Boden. Sie starrte verzweifelt in die Dunkelheit.
Jegliches Zeitgefühl war ihr abhanden gekommen. Sie wußte nicht, wie lange sie von der unheimlichen Gräfin bereits auf dem Schloß gefangengehalten wurde. Seit die beiden Skelette sie hierhergebracht hatten, schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, und sie wunderte sich darüber, daß sie noch nicht verhungert oder verdurstet war, denn niemand hatte ihr bisher etwas zu essen gebracht.
Erstaunlich war für Sally, daß sie immer noch keinen Hunger hatte.
Das Gegenteil war der Fall.
Sie fühlte sich so satt, als habe sie erst vor wenigen Minuten eine reichliche Mahlzeit zu sich genommen. Jorma Maduse sorgte mit Hilfe der Magie dafür, daß Sally sich satt fühlte.
Das Mädchen erinnerte sich, daß sie zweimal jemanden aufs Schloß kommen gehört hatte.
Beim erstenmal hatte Sally Buzzell sofort mit vollen Lungen um Hilfe gerufen, und kurz darauf hatte sie tatsächlich Schritte im Verlies vernommen.
Abermals hatte sie geschrien, doch Jorma Maduse hatte es so eingerichtet, daß Sallys Ruf die Zelle nicht verlassen konnte.
Deshalb blieb Sally Buzzells verzweifeltes Geschrei dann auch ungehört. Verstört stellte das Mädchen fest, daß die Menschen, die sie befreien hätten können, das Verlies wieder verließen, ohne zu ahnen, wie nahe sie ihr gekommen waren.
Als es hier unten dann wieder still geworden war, verfiel Sally Buzzell in tiefe Apathie, aus der sie erst wieder hochschreckte, als jemand anderer auf Watford Castle kam.
Sheldon Dreyfuss war es gewesen.
Sally hatte seine Stimme gehört. Er hatte sie gerufen. Sally hatte neuen Mut gefaßt. Sie war aufgesprungen und hatte Sheldon geantwortet, doch abermals hatte Jorma Maduse eine magische Sperre errichtet und somit verhindert, daß Sheldon die Rufe des Mädchens vernahm.
Gott, wie sehr hatte sie darauf gehofft, daß Sheldon Dreyfuss sie aus diesem finsteren Kerker holen würde.
Wie ein Ertrinkender an den Strohhalm, so hatte sie sich an diese Hoffnung geklammert.
Um so schrecklicher war für sie dann die Enttäuschung gewesen, als niemand kam, um die Tür aufzuschließen und ihr die Möglichkeit zu geben, in die heißersehnte Freiheit zurückzukehren.
Wie viele Stunden, wie viele Tage, wie viele Nächte verbrachte sie nun schon hier unten?
Sally Buzzell umklammerte fröstelnd ihre Knie.
Gab es wirklich keine Chance mehr für sie freizukommen? Würde das geschehen, was ihr Jorma Maduse angekündigt hatte?
Sally schüttelte angewidert den Kopf.
Sie wollte den Geist der unheimlichen Gräfin nicht in sich aufnehmen. Aber würde es ihr möglich sein, dies zu verhindern?
Das Mädchen kroch zur rissigen Tür. Es hatte gehört, wie die Knochenmänner den Schlüssel im Schloß herumgedreht hatten.
Aber die Skelette hatten den Schlüssel nicht abgezogen und an sich genommen. Er steckte nach wie vor im Schloß.
Sally zerbrach sich den Kopf. Wie sollte sie es anstellen, um den Schlüssel in ihren Besitz zu bringen?
Der Schlüssel war für sie der einzige Lichtblick, den sie noch hatte. Wenn es ihr erst mal gelungen war, diese schwere Tür aufzuschließen, bestand für sie vielleicht noch die Möglichkeit zu einer unbemerkten Flucht.
Sally Buzzell legte die Hand an das rauhe Holz der Tür. Sie ertastete unwillkürlich einen langen Holzspan.
Sofort brach sie ihn ab.
Plötzlich entstand in dem kleinen Raum ein seltsames Brausen - und dann erschien Jorma Maduse.
Die unheimliche Gräfin verzog ihr Gesicht zu einem hämischen Grinsen. Wie erstarrt blickte Sally Buzzell sie an.
Für diesen Spuk schien nichts unmöglich zu sein. Das unverhoffte Erscheinen der Gräfin machte dem Mädchen Angst.
Ein glutrotes Feuer loderte in den Augen der Erscheinung. »Ich wollte nur mal nach dir sehen«, sagte die unheimliche Gräfin mit ihrer unangenehmen Stimme.
Sally Buzzell rang flehend die Hände. »Ich bitte Sie, lassen Sie mich frei.«
»Kommt nicht in Frage. Du weißt, was ich für Pläne mit dir habe.«
»Ich halte es nicht mehr lange in diesem Verlies aus. Ich werde sterben!«
»Keine Sorge, so schnell stirbt man nicht. Außerdem würde ich es zu verhindern wissen, daß du dich auf diese Weise aus dem Staub machst. Im Augenblick kann ich mich dir leider noch nicht so widmen, wie ich gern möchte. Ich habe keine Zeit dazu, muß mir erst noch ein paar lästige Leute vom Hals schaffen, ehe ich mich um dich kümmern kann…«
»Warum tun Sie mir das an?«
»Verflucht noch mal, hör auf zu
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