0137 - Die Bestien der Madame
Biest? Verstand es ihn überhaupt?
Plötzlich erhielt Claire einen Stoß. Sie schrie auf und fiel.
»Lauf!« rief der Reporter sofort. »Lauf und hol Hilfe!«
Claire schnellte hoch. Das Scheusal ließ ein zorniges Brüllen hören.
Taviss lachte. »Reingelegt, was?« Er feuerte Claire an. »Lauf, Mädchen! Lauf! Ich sorge dafür, daß dich die Bestie nicht mehr kriegt!«
Claire hetzte an ihm vorbei. Panik schimmerte in ihren Augen.
Ihr Kleid war schmutzig und an mehreren Stellen zerrissen. Sie rannte die Stufen hinauf, während sich Taviss dem Ungeheuer in den Weg stellte. Die Bestie griff sofort an…
***
Claire konnte es noch nicht fassen. Gerettet. Sie war gerettet. Henry Taviss hatte sie aus der Gewalt der Bestie befreit. Jener Henry, den sie bisher nie besonders beachtet hatte. Er war der Freund ihres Bruders für sie gewesen, nichts weiter. Aber war er nicht mehr?
Wer sonst hätte so viel für sie riskiert? Norman Coughlin? Eugene Walton? Hätten die beiden ihr Leben für sie eingesetzt? Claire zweifelte daran.
Was bewog Henry Taviss, sein Leben für sie aufs Spiel zu setzen?
Sie lief, ohne sich umzusehen.
Sie hörte das Knurren der Bestie, der auch Henry nicht gewachsen sein konnte. Das Monster würde ihn töten. Wenn nicht noch ein Wunder geschah, konnte Henry Taviss diese gefährliche Begegnung nicht überleben.
Claire verspürte einen schmerzhaften Stich in der Seite.
Sie lief zu schnell.
Sie konnte kaum noch atmen.
Aber sie durfte nicht stehenbleiben. Henry brauchte Hilfe. Der Schmerz zwang sie, sich zu krümmen. Dennoch lief sie weiter.
Schwer keuchend. Mit verzerrtem Gesicht. Aber sie gab nicht auf.
Das war sie Taviss schuldig. Er hatte sie vor einem schrecklichen Ende bewahrt. Nun mußte sie alles tun, um sein Leben zu retten.
Das Kanalsystem war erfüllt vom dröhnenden Gebrüll des Monsters.
Claires Augen schwammen mit einmal in Tränen. Henry sollte nicht sterben. Sie wollte ihm ihre Dankbarkeit beweisen. Wenn er verletzt war, würde sie ihn gesundpflegen. Sie war bereit, alles für ihn zutun. Alles, was er von ihr verlangte.
Aber dazu mußte er am Leben bleiben!
***
Taviss ließ sich von dem wütenden Gebrüll des Ungeheuers nicht einschüchtern. Die Bestie hieb mit ihrer Pranke nach ihm. Er sprang zur Seite und stach mit dem Dolch zu, aber die blanke Klinge verfehlte ihr Ziel. Haarscharf sauste sie am Arm des Scheusals vorbei.
Ein schwerer Hieb traf den Reporter und schleuderte ihn weit zurück. Er knallte gegen die Wand. Für einen Moment hatte Taviss das Gefühl, in seinem Inneren wäre etwas gerissen.
Er preßte die Kiefer fest zusammen. Kein Laut des Schmerzes kam über seine Lippen.
Das Monster stampfte heran.
Es wollte endlich Blut sehen.
Die diagonal herabsausenden Krallen zerfetzten den Trenchcoat des Reporters. Knöpfe sprangen ab. Der Gürtel flatterte zu Boden.
Auch den Anzug hatten die messerscharfen Krallen der Bestie aufgeschlitzt. Der Hieb war so schnell gekommen, daß Taviss kaum reagieren konnte.
Jetzt erst handelte er.
Mit einem Sidestep versuchte er, den gefährlichen Gegner auszutricksen. Eine der beiden Krallenhände erwischte ihn jedoch. Er wurde blaß. Blitzschnell ließ er sich fallen. Das war die einzige Möglichkeit, noch freizukommen. Über ihm ratschte der Stoff seines zerrissenen Mantels. Er landete auf dem Boden, drehte sich, kam wieder hoch und stach zu.
Diesmal traf er mit dem Dolch.
Die Klinge wühlte sich in die Schulter des Ungeheuers. Die Bestie riß ihr riesiges Maul auf und brüllte ohrenbetäubend laut. Sie sprang zurück. Dadurch wurde ihr der geweihte Silberdolch aus der Wunde gerissen. Ihr Kopf stieß vor. Sie wollte Taviss die Zähne in den Arm schlagen, doch der Reporter brachte sich mit einem federnden Satz in Sicherheit. Hart klappten die Kiefer zu.
Das Wesen ließ den verletzten Arm sinken.
Taviss verspürte ein Triumphgefühl in seiner Brust.
Er war auf dem besten Wege, das Monster zu besiegen.
Ein euphorischer Taumel erfaßte ihn.
Die breite, zum Teil geschuppte Brust des Scheusals bot sich ihm ungedeckt an. John Sinclair hatte gesagt, er müsse mit der Dolchspitze das Herz dieser Bestie durchbohren. Dafür schien jetzt die beste Gelegenheit zu sein.
Taviss überlegte nicht lange.
Das Ungeheuer war angeschlagen. Es war möglich, die Bestie zu vernichten, und Taviss wollte diese große Chance nicht ungenützt lassen.
Er wuchtete sich dem Monster mit einem beherzten Schrei entgegen. Den Dolch zum tödlichen Stoß
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