0139 - Wo der Werwolf lauert
vor.
Der Dorfplatz war mit Kopfsteinen gepflastert und lag leer. Das blieb nicht lange so. Wie auf ein geheimes Zeichen traten Menschen aus den Häusern oder kamen aus den Seitengassen. Einige Männer hatten Gewehre und Flinten, andere hielten derbe Knüppel, Dreschflegel und Sensen.
Schweigend rückten sie gegen Zamorra vor, während die Frauen und Kinder im Hintergrund blieben. Man hatte den Professor erwartet. Zamorra behielt die Ruhe. Er öffnete die Fondtür, klappte seinen Einsatzkoffer auf, der geweihte Kruzifixe, Weihwasserampullen, Gnostische Gemmen, magische Kreide, Dämonenbanner und weitere Utensilien enthielt.
Der Professor nahm den mit geweihten Silberkugeln geladenen 38er Colt Agent heraus und steckte ihn unauffällig in die Tasche seines leichten hellen Sommeranzuges. Die Männer von Dragoviste umringten Zamorra schweigend und mit feindseligen Gesichtern.
»Wo finde ich Frantisek Gabö?« fragte Zamorra auf Rumänisch.
Diesen Satz hatte er aus dem Sprachführer gelernt, viel mehr beherrschte er auf Rumänisch nicht. Niemand antwortete ihm. Zamorra fragte nach dem Bürgermeister oder dem Ortspolizisten, erhielt aber wiederum keinen Bescheid.
Da schwieg auch er. Zwei, drei Minuten verstrichen, bis ein kleiner Pope mit schwarzem Haar und durchgeknöpfter Soutane durch die Menge schritt, die eine Gasse für ihn bildete. Der Pope hielt ein Prozessionskreuz mit versilberter Stange in den Händen. Er war nervös, seine Mundwinkel zuckten.
Das Funkeln seiner tiefliegenden Augen verriet Zamorra gleich, daß er einen Fanatiker vor sich hatte, den er mit Vorsicht behandeln mußte.
»Sie sind Professor Zamorra, der Diener der Hölle!« rief der kleine Pope anklagend und deutete auf den hochgewachsenen Mann mit dem markanten Gesicht. Er hatte ein recht gutes Französisch gesprochen. Gleich wiederholte er seine Anschuldigungen auf Rumänisch.
Zornige Rufe ertönten, die Bauern hoben ihre Sensen, Knüppel und Dreschflegel und schüttelten drohend die Fäuste gegen Zamorra. Der Professor blieb ruhig.
»Wie kommen Sie dazu, eine so ungeheuerliche Anklage zu erheben?« fragte er den Popen in scharfem Ton. »Das Gegenteil ist der Fall, ich bekämpfe die dämonischen Kräfte, wo ich sie finde. Das ist allgemein bekannt, auch beim Obersten Sowjet und beim Politbüro der UdSSR. Die maßgeblichen Stellen in Rumänien sollten es ebenfalls wissen oder in Erfahrung bringen können.«
»Sie lügen«, erwiderte der Pope. »Ich habe mich bei der Geheimdienstzentrale in der Hauptstadt telefonisch erkundigt. Dort hat man Dossiers über alle wichtigen Persönlichkeiten des In- und Auslandes. Sie haben sich der Schwarzen Magie verschrieben.«
Das wütende Gemurmel wurde lauter.
Die Bauern von Dragoviste konnten sich kaum noch beherrschen. Ein Wink des Popen, und sie würden über Zamorra herfallen.
»Mit wem haben Sie bei der Geheimdienstzentrale gesprochen?« fragte Zamorra, der sich nicht vorstellen konnte, daß man den Popen dort falsch informiert haben sollte.
Hier mußten andere Kräfte im Spiel sein. Der Geheimdienst würde nicht die Auskunftei für einen unbedeutenden Dorfpopen spielen und diesem dann alles weitere überlassen, ohne sich selber einzuschalten. Imri Jalea nannte den Namen eines Geheimdienstmajors, mit dem er gesprochen haben wollte.
Zamorra zeigte seinen Sonderpaß und das Empfehlungsschreiben vor, das ihm bisher alle Türen geöffnet hatte.
»Hüten Sie sich, gegen mich vorzugehen«, warnte er den Popen. »Ich bin kein unbedeutender und unbekannter Mann. Man weiß, wohin ich gefahren bin, und wird Nachforschungen anstellen, falls mir etwas zustößt oder falls ich verschwinden sollte.«
Imri Jalea warf nur einen flüchtigen Blick auf den Paß und das Schreiben.
»Ich erkenne das Böse, wenn ich es vor mir sehe!« rief er. »Sie sind hergekommen, um sich mit dem Dämon vom Oituz-Paß zu verbünden, dem Schönen Gunodescu. Aber daraus wird nichts. Ihr Weg endet hier, Professor Zamorra!«
Die Männer von Dragoviste schrien Verwünschungen. Wenn sie Zamorra in die Augen schauten, zeigten sie gleichzeitig mit dem gespreizten Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand auf den Boden. Es war das Abwehrzeichen gegen den bösen Blick.
Nur Imri Jalea wandte es nicht an. Er verließ sich auf sein Prozessionskreuz und auf seine Stellung als Pope.
»Sie müssen verrückt geworden sein!« fuhr Zamorra ihn an und tastete nach dem Revolver. »Ist denn Frantisek Gabö nicht hier? Er kann für mich
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