0139 - Wo der Werwolf lauert
eine Begleiteskorte an. Das lehnte Zamorra ab, er wollte sich nicht überwachen lassen.
Er drohte mit dem Zorn Dr. Kapnins und anderer Spitzenfunktionäre, falls man ihn etwa gegen seinen Willen kontrollierte.
»Ganz wie Sie wünschen, Herr Professor«, sagte der Kommissar, der die Dienststelle leitete in etwas holprigem Englisch. »Es ist uns eine hohe Ehre, Sie in unserem Land zu Gast zu haben. Sie können gern im Flughafenrestaurant frühstücken, wie Sie gerade erwähnten. Der Wagen steht dann für Sie bereit.«
Zamorra ließ seinen großen Reisekoffer, der nur Kleidungsstücke und andere harmlose Utensilien enthielt, auf dem Polizeibüro zurück. Der Koffer sollte gleich in den Wagen verladen werden. Den Einsatzkoffer, den er nicht von Unbefugten öffnen lassen wollte, gab er nicht aus der Hand.
Der Professor frühstückte ausgiebig. Er wußte nicht, wann er Gelegenheit haben würde, wieder etwas zu sich zu nehmen. Der Polizeikommissar hatte ihm den Weg zum Seitenausgang beschrieben.
Dort stand eine schwarze Tatra-Limousine für Zamorra bereit, als er eintraf. Der uniformierte Polizist beim Wagen salutierte. Es hatte ohne Zweifel seine Vorteile, ein Freund der UdSSR und der mit ihr verbündeten Länder zu sein. Mit Zamorras politischer Einstellung und seinen Ansichten über das Sowjetsystem hatte das nichts zu tun.
Der Professor nahm die Vorteile wahr, die ihm seine früheren Verdienste boten. Er wollte vor allem die dämonischen Kräfte und Mächte der Finsternis bekämpfen. Über Sozialismus, Kommunismus und Kapitalismus sollten sich andere streiten.
Die Tatra-Limousine war noch fast neu. Der Wagen bot nicht den Komfort wie die Limousinen westlicher Industrieländer, aber er hatte einen robusten 150-PS-Motor und war massiv gebaut.
Sowie Zamorra aus Bukarest heraus war, nagelte er mit dem Bleifuß das Gaspedal des Viertakters am Boden fest. Es trieb ihn, Dragoviste so schnell wie möglich zu erreichen. Das silberne Amulett auf Zamorras Brust hatte sich erwärmt und strahlte Impulse aus, die ihn beunruhigten.
Jede Minute war wichtig. Falls eine Polizeistreife Zamorra aufhielt, weil er den Geschwindigkeitslimit überschritt, mußte sein Sonderpaß ihm aus der Verlegenheit helfen. Doch niemand stoppte den Professor.
Etwas über zweihundertsiebzig Kilometer waren bis Dragoviste zurückzulegen. Zamorra hatte eine sehr präzise Straßenkarte, den Ort zu finden war kein Problem.
Bald sah er die bewaldeten Berge der Karpaten vor sich, an deren Ostflanke er entlangfuhr. Vierzig Kilometer hinter Focsani fuhr er von der zweispurigen Autobahn ab, auf der er zügig vorangekommen war.
Die Straße nach Tirgu Ocna war schmal und führte in Windungen durch die Berge. In Tirgu Ocna bog Zamorra zunächst falsch ab, da die Beschilderung sehr zu wünschen übrig ließ, und fand dann den richtigen Weg nach Dragoviste.
Die Straße zu dem 650-Seelen-Nest 15 Kilometer vom Oituz-Paß entfernt übertraf Zamorras Befürchtungen noch. Aber der robuste Tatra bewältigte sie ohne Schwierigkeiten. Unter anderen Umständen hätte Zamorra die Fahrt durch die Bergwälder zweifellos genossen.
Doch jetzt beschäftigten ihn andere Gedanken. Daß Nicole Duval und Bill Fleming in Wölfe verwandelt worden waren und daß ein Dämon und Dämonenwölfe sowie abergläubische Bauern sie bedrohten, war eine schlimme Vorstellung. Aber immerhin befanden sich Bill und Nicole überhaupt wieder auf der Erde.
Wenige Minuten nach 10 Uhr 30 erreichte Zamorra bereits den Ort Dragoviste. Er sah einen kleinen Flecken vor sich, der noch aus dem vorvorigen Jahrhundert hätte stammen können. Eingeschossige Steinhäuser standen an kopfsteingepflasterten Straßen. Nur sehr wenig wies auf das 20. Jahrhundert hin.
In solchen Dörfern blieb oft die Zeit stehen. Die Einheimischen blieben unter sich, die meisten hielten ihren Flecken für den Mittelpunkt der Welt. Kinder spielten am Straßenrand bei den Pfützen, die noch vom nächtlichen Gewitter übriggeblieben waren.
Ein paar Hofhunde kläfften. Schwarzgekleidete alte Frauen sahen dem Wagen nach, der hier unbekannt war. Nach Dragoviste kamen nicht viele Fremde. Zamorra fuhr zunächst auf den Dorfplatz, wo er anhielt, ausstieg und sich umsah. Das größere Gebäude an der einen Seite des Platzes schien das Rathaus zu sein.
Ihm gegenüber lag die Kirche mit dem Zwiebelturm. Bei der Genossenschaftsmolkerei am anderen Ende des Platzes fuhr gerade ein dreirädriger, mit Milchkannen beladener Lieferwagen
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