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014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen

014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen

Titel: 014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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»lassen Sie einen Haftbefehl für Odette Rider ausstellen wegen dringenden Verdachtes, vorsätzlichen Mord begangen zu haben. Telegrafieren Sie an alle Polizeistationen, das Mädchen anzuhalten, und melden Sie mir den Erfolg!«
    Ohne ein weiteres Wort verließ er das Haus und kehrte in seine Wohnung zurück.

8
    Sam Stay hielt sich in London auf. Die Polizei kannte seine Wohnung und ließ ihn Tag und Nacht scharf bewachen. Ihm selbst war es keine Neuigkeit, stets einen harmlos dreinschauenden Detektiv hinter sich zu wissen, aber zum erstenmal in seinem Leben beunruhigte ihn diese Tatsache nicht im mindesten. Seine Gedanken waren viel zu sehr mit dem für ihn furchtbaren Ereignis beschäftigt.
    Der Tod Thornton Lynes war der schwerste Schlag, der ihn jemals getroffen hatte. Und selbst wenn sie ihn hinter Schloß und Riegel gesetzt hätten, wäre es ihm vollständig gleichgültig gewesen. Denn dieser unverbesserliche Verbrecher mit dem langen, melancholischen, von vielen Furchen durchzogenen Gesicht, das ihm das Aussehen eines alten Mannes gab, hatte Thornton Lyne über alle Maßen geliebt und verehrt. Lyne war für ihn eine Erscheinung mit übermenschlichen Gaben und Fähigkeiten gewesen, die sonst niemand entdeckt hatte. In Sams Augen konnte Lyne nichts Unrechtes getan haben, er war der Inbegriff alles Guten und Schönen, alles Hohen und Erhabenen.
    Thornton Lyne war tot! Nie wieder würde er zum Leben erwachen! Tot!
    Jeder Schritt schien ein Echo dieses schrecklichen Wortes zu sein. Sam Stay war vollständig abgestumpft, alle seine anderen Sorgen und Kümmernisse waren gegenüber dieser einen fürchterlichen Erkenntnis verstummt.
    Und wer war an allem schuld? Durch wessen Verrat war das Leben dieses wunderbaren Menschen so schnell zu einem furchtbaren Ende gekommen? Er biß die Zähne wütend aufeinander bei diesem Gedanken. Niemand anders als - Odette Rider! Dieser Name stand in Flammenschrift vor ihm. Alle Beleidigungen, die sie seinem Wohltäter zugefügt hatte, rief er sich ins Gedächtnis zurück, er erinnerte sich an jedes Wort der langen Unterhaltung mit Lyne an dem Morgen seiner Entlassung, an alle Pläne, die sie zusammen ausgedacht hatten.
    Er konnte ja nicht wissen, daß sein abgöttisch verehrter Held ihm nicht die Wahrheit gesagt, sondern in seinem Zorn und in seiner beleidigten Eitelkeit Anschuldigungen aus der Luft gegriffen und Beleidigungen von Odette Rider erdichtet hatte, die niemals vorgekommen waren. Er wußte nur, daß Thornton Lyne dieses Mädchen haßte, und von seinem Standpunkt aus war dieser Haß vollkommen gerechtfertigt. Sie allein war an dem Tod dieses großen Mannes schuld.
    Ziellos wanderte er nach Westen und kümmerte sich nicht im mindesten um den Polizeibeamten, der ihm folgte. Als er das Ende von Piccadilly erreicht hatte, fühlte er, daß jemand höflich seinen Arm berührte. Er wandte sich um und sah mürrisch in das Gesicht eines alten Bekannten.
    »Sie brauchen nichts zu fürchten, Sam«, sagte der Detektiv mit einem Lachen. »Es liegt nichts gegen Sie vor. Ich möchte nur ein paar Fragen an Sie stellen.«
    »Die Polizei hat mich schon so ausgefragt, Tag und Nacht, nachdem das - das Schreckliche passiert ist.«
    Trotzdem ließ er sich beruhigen und ging mit dem anderen.
    »Ich spreche ganz offen mit Ihnen, Sam. Wir haben gar nichts gegen Sie, sondern wir sind davon überzeugt, daß Sie uns viel helfen können. Sie kannten Mr. Lyne sehr gut, er war Ihnen gegenüber immer hilfreich und liebenswürdig.«
    »Hören Sie davon auf!« rief Sam wild. »Ich will nicht mehr darüber sprechen! Ich darf auch nicht mehr daran denken! Hören Sie, können Sie denn das nicht verstehen? Der größte Mensch, der jemals lebte, war Mr. Lyne. Ach mein Gott, mein Gott!« jammerte er, und zum größten Erstaunen des Beamten verbarg dieser harte Verbrecher sein Gesicht in den Händen und schluchzte.
    »Ich verstehe Ihren Schmerz vollkommen, Sam. Ich weiß, wie gut er gegen Sie war. Hat er denn keine Feinde gehabt? - Vielleicht hat er mit Ihnen darüber gesprochen und hat Ihnen Dinge anvertraut, die er nicht einmal seinen Freunden mitteilte.«
    Sam schaute ihn mit rotgeweinten Augen mißtrauisch an.
    »Wird mir auch nachher kein Strick daraus gedreht, wenn ich Ihnen jetzt etwas sage?«
    »Durchaus nicht, Sam«, entgegnete der Polizist schnell. »Seien Sie doch vernünftig, und helfen Sie uns, soviel Sie können. Vielleicht drücken wir auch einmal ein Auge zu, wenn Sie wieder was ausgefressen haben.

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