014 - Der Tod über Paris
geräumiges Gewölbe. Hier herrschte rege Betriebsamkeit, huschten Dutzende Gestalten umher, die die gleichen bunten Gewänder trugen wie die Wachen und sich angeregt miteinander unterhielten. Doch als sie die beiden Gefangenen erblickten, herrschte von einem Augenblick zum anderen eisiges Schweigen.
Wortlos bildeten sie eine Gasse, durch die Matt und Aruula zu der großen Treppe geführt wurden, die die Stirnseite des Raumes einnahm.
Bestürzt erkannte Matt die Überreste einer Rolltreppe. Die Handläufe aus Gummi hatten sich aufgelöst, das Metall der Stufen war korrodiert, und natürlich bewegte sie sich längst nicht mehr.
Gehorsam stiegen sie empor, als die Wachen sie dazu aufforderten. Der groteske Hofstaat blickte ihnen schweigend nach. Am Ende der Treppe wurden sie von zwei weiteren Wachen in Empfang genommen. Sie brachten Matt und Aruula in einen Raum, dessen Wände mit Dutzenden von Konsolen und vor langer Zeit erloschener Monitore zugepflastert waren - ein ehemaliger Kontrollraum…
In der Mitte des kreisrunden Zimmers war ein bizarrer Thron errichtet worden. Im Wesentlichen bestand er aus einem lederbezogenen Drehsessel, der auf ein Podest aus Schrott gestellt worden war. Darüber war eine Art Baldachin errichtet worden, der unzählige Dinge barg, die für die Menschen dieser Tage keine Bedeutung mehr hatten, für Matt jedoch schmerzliche Erinnerungen bedeuteten.
Er sah rostige Autofelgen, Feuerzeuge, die an einem Strick aufgefädelt waren, eine Trompete, einen alten Lautsprecher, die Überreste eines Skateboards. Traurige Überbleibsel einer untergegangenen Welt.
Auf dem Thron hockte ein feister buckliger Kerl, der in Matts Augen ohne weiteres als der Glöckner von Notre Dame hätte durchgehen können. Seine Gesichtszüge waren verschoben und grauenhaft entstellt. Sein runder, dicklicher Körper ruhte auf zwei ungleich langen Beinen, und ein mächtiger Buckel erhob sich zwischen den Schulterblättern. Das wenige Haar auf seinem Schädel war fast weiß und reichte bis auf seine Schultern herab. Seine Augen waren blutunterlaufen, funkelten in einem Hauch von Wahnsinn.
Matt nahm an, dass dies der »große Herr« war, von dem die Wachen gesprochen hatten.
Er trug ähnliche Kleidung wie seine Untergebenen, mit dem Unterschied, dass unzählige Stücke von Plunder an den Stoff genäht waren, die wohl so etwas wie sein Ornat darstellen sollten. Matthew sah Ketten und Ringe aus Gold und Silber - offenbar hatte der Ausstatter dieses Kerls einen Juwelierladen geplündert…
Der Anführer der Me'ros sagte etwas zu einem der Männer, der Matt und Aruula grunzend anblaffte. Im nächsten Moment stießen die Wachen den beiden die Schäfte ihrer Speere in die Kniekehlen, sodass sie niederfielen - offenbar verlangte der fette Kerl auf dem Thron, dass man vor ihm kniete…
»Willkommen im Beich von Me'ro«, sagte der Anführer heiser, und überrascht stellte Matt fest, dass er den Mann auf dem Thron ohne Schwierigkeiten verstand - er beherrschte den Dialekt der Nomadenvölker, zwar akzentbeladen, aber gut verständlich.
»Wer sind Sie?«, erkundigte sich Matt und wollte sich erheben - sich vor einem anderen Menschen so zu erniedrigen ging ihm gehörig gegen den Strich. Doch der messerscharfe Stahl, den er in seinem Nacken fühlte, sagte ihm, dass es besser war, den Kopf unten zu behalten.
»Ich stelle hier die Fragen«, gab der Feiste großtuerisch zurück. »Aber da ich heute in großmütiger Stimmung bin, werde ich dir antworten, Fremder. Mein Name ist Perr - ich bin der große Domm von Me'ro.«
»Und dies ist Maddrax«, sagte Aruula, noch ehe Matt etwas erwidern konnte.
»Er ist ein tapferer und schrecklicher Krieger. Ich bin Aruula von Sorbans Stamm. Aruula von den dreizehn Inseln. Wie kannst du es wagen, uns gefangen zu nehmen?«
»Du bist nichts als eine Wilde, eine Barbarin«, stellte der Domm geringschätzig fest. »Aber du« er betrachtete Matt mit einem Blick, der diesem kalte Schauer über den Rücken jagte - »bist anders.« Er deutete auf Matts arg in Mitleidenschaft gezogenen Overall. »Diese Kleidung habe ich schon einmal gesehen«, gab er bekannt. »Du siehst aus wie er damals…«
»Wie wer?« Matt schnappte nach Luft, während sein Verstand rasch kombinierte. »Hank!«, rief er aus.
»Wo ist er?«
»Ich hatte also Recht«, meinte der Anführer der Me'ros selbstgefällig. »Du kennst den anderen.«
»Er ist ein Freund von mir«, erklärte Matt schlicht - alles andere behielt er lieber
Weitere Kostenlose Bücher