0141 - Der hinkende Mörder
kann ich schon lange.«
»Meinen Sie?« grinste ich, und wenn der Lieutenant mich besser gekannt hätte, so wäre er vorsichtiger gewesen.
»Ich meine immer, was ich sage.«
»Jedenfalls hat jemand einen dicken Fehler gemacht.«
»Was für einen Fehler? Bei uns jedenfalls nicht.«
»Sie reden von dem Mordfall, Lieutenant. Ich meine etwas ganz anderes; einen Fehler hat der begangen, der Sie vom Straßendienst weggeholt hat und sich einbildete, er könne einen Kriminalbeamten aus Ihnen machen.«
Damit war ich draußen. Ich fürchtete, er werde mir etwas nachwerfen, aber er beschränkte sich darauf, mir alle möglichen Kosenamen zu geben.
Da ich mich nicht mit ihm herumstreiten wollte, forderte ich schriftlich, dass er uns über jeden Fortschritt der Untersuchung auf dem Laufenden halten solle. Den ganzen Tag ging mir die Andeutung der Ermordeten im Kopf herum, sie habe Informationen über einen Fall, den ich nur kurz gestreift und ad acta gelegt hätte. Ich konnte mir durchaus nicht denken, um was es sich handelte, und auch Phil, den ich ins Vertrauen zog, hatte keine Ahnung.
Dagegen ließ ich nach Camillo Antesi forschen, dessen Namen die Ermordete in der Tasche getragen hatte. Wenn er irgendwo bekannt war, so musste das in der Gegend sein, die zwischen Broadway, Bowery, Houston und Bayard Street liegt und »Klein-Italien« genannt wird. Fast in der Mitte dieses Vierecks liegt das Hauptquartier der City Police, und es war wohl anzunehmen, dass diese ihre Umgebung genau kannte.
Ich bekam die Antwort von zwei Seiten. Einer unserer Vertrauensmänner hatte die Wohnung des Italieners herausgefunden. Sie lag in der Spring Street 76. Gleichzeitig rief zu meiner Überraschung Lieutenant Paddington an und war außerordentlich liebenswürdig. Auch er hatte Antesi ausfindig gemacht und bereits verhört. Antesi behauptete, die Ermordete nicht zu kennen, und außerdem hatte er ein Alibi.
Er war abends von acht bis elf Uhr zusammen mit einem gewissen Errol Storni in einem Poolroom, einem Billardsalon, in der Mulberry Street gewesen.
»Sind Sie sicher, dass dieses Alibi echt ist?« fragte ich.
»Ich habe Storm von seinem Arbeitsplatz wegholen und hierher bringen lassen, so dass die beiden sich nicht vorher verständigen konnten.«
»Ich glaube es nicht«, meinte Lieutenant Paddington. »Dieser Storm machte durchaus keinen schlechten Eindruck.«
Am gleichen Abend um neun Uhr fünfzehn stellte ich meinen Jaguar im Hof des Polizeihauptquartiers ab, und Phil und ich gingen die zwei Blocks bis zur Mulberry Street zu Fuß.
Der Billardsalon »Lucky Star« war groß. Hinter dem Eingang befand sich eine lange Bar, und im Übrigen gab es achtzehn Tische, an denen eifrig gespielt wurde. Wir hockten uns an die Bar und bestellten zwei Whisky auf Eis. Ich schob zwei Dollar hin und sagte:
»Den Rest können Sie behalten.«
Der Barkeeper kniff argwöhnisch die Augen zusammen. Er wusste genau, dass kein Gast des »Lucky Star« ein so weiches Herz hatte ein hohes Trinkgeld für nichts zu geben.
»Was wollen Sie dafür?« fragte er und deutete auf das Wechselgeld, das vor ihm lag.
»Auskunft«, sagte ich lakonisch.
»Was für eine Auskunft?«
»Über einen Mann, den ich suche.«
»Sind Sie Cop? Aber Nein. Cops geben keine Trinkgelder.« Er grinste.
»Was soll es also sein?«
»Camillo Antesi.«
»Den sie heute Nachmittag drüben im Hauptquartier hatten, meinen Sie den?«
»Ich dachte, es gäbe nur einen.«
»Wahrscheinlich. Ich wollte nur sichergehen.«
»Geb£n Sie mir endlich Antwort.« Ich begann ärgerlich zu werden. »Kennen Sie ihn, und ist er zurzeit hier?«
»Beides.« Dabei streckte er von neuem seine Hand aus.
Ich legte noch einen Dollar zu und wartete.
»Sie dürfen mich nicht verraten«, sagte er mit einem argwöhnischen Seitenblick auf zwei Gäste am anderen Ende der Bar. »Mit Antesi möchte ich keinen Krach haben.«
»Ich sage kein Wort.«
»Na gut. Sehen Sie sich einmal vorsichtig um. Wir haben da hinten drei Reihen mit je vier Tischen, in der mittleren, am dritten Tisch, der mit dem Schnurrbärtchen und dem roten Hemd… das ist Antesi.«
»War er auch gestern hier?«
»Das bin ich heute schon zweimal gefragt worden, aber ich konnte es nicht sagen, und wenn, so hätte ich es nicht getan. Hier gehen allabendlich ungefähr zweitausend Menschen aus und ein. Wenn Sie mich dann nach einem bestimmten Mann fragen, so kann ich mich beim besten Willen nicht auf einen Tag festlegen, an dem er hier war. Im
Weitere Kostenlose Bücher