0141 - Die Hexe vom Schädelfelsen
hinaus auf den Gang. Der Vampir war der einzige Wächter gewesen; niemand hinderte ihn am Verlassen der Zelle, die der Vampir so leichtsinnig geöffnet hatte.
»Übermut tut selten gut«, murmelte Zamorra zufrieden. Sein Blutdurst war dem Vampir zum Verhängnis geworden.
Langsam tastete sich Zamorra im Dunkeln voran. Irgendwo mußte der Korridor an einer Tür enden, an der es weiterging ins Freie.
Aber an diesem Tag hatte sich das Schicksal gegen ihn verschworen…
***
Die Priesterin des Blutes blieb für einige Minuten reglos stehen, nachdem der Dunkle das Zimmer verlassen hatte. Vergeblich versuchte Nicole, ihre Gedanken zu erfassen. Doch es gelang ihr nicht. Andersherum schien es durchaus und mit Leichtigkeit möglich zu sein.
Plötzlich kam wieder Bewegung in die Priesterin. Sie warf das durchscheinende lange Gewand ab, ließ es achtlos auf dem Boden liegen. Ohne dem Raben noch einen Blick zu schenken, verließ sie nackt das Zimmer und trat durch eine Verbindungstür in einen anderen Raum. Dort kauerten ein paar seltsame Wesen, die bei ihrem Eintreten erschrocken aufsprangen. Offenbar nahmen sie Dienerfunktion ein. Die Priesterin klatschte in die Hände und sprach einige Befehle in einer Nicole fremden Sprache. Die kleinen Gestalten, die Kobolde oder Trolle zu sein schienen, gerieten in hektische Bewegung. Sie erinnerten Nicole fatal an die unheimliche, mörderische Schar in ihrem Traum, die über das Dorf im Tal hergefallen war.
Die Wesen schleppten einige golden schimmernde Dinge heran. In aller Seelenruhe legte die Priesterin sie an. Schnürsandalen nach römischem Vorbild, eine Art Bikinihöschen und eine über die Brüste fallende Kette aus Drachenzähnen, dazu ein schmaler Gurt, an dem ein Schwert hing. Probeweise zog sie es aus der Scheide und wirbelte kurz damit durch die Luft. Es lag gut in ihrer Hand und glänzte ebenfalls golden, wie jedes andere Teil.
Sie schob es in die goldene, diamantenbesetzte Scheide zurück und schob sich ein paar Armreifen über die Handgelenke. Dann trat sie vor einen breiten Spiegel und musterte sich zufrieden.
Nicole erschrak über die verblüffende Ähnlichkeit. Entweder hatte die Verschmelzung dafür gesorgt, daß das Äußere ihres Körpers dominierte, oder… die Priesterin des Blutes war eine nahezu perfekte Doppelgängerin. Letzteres schien allerdings zuzutreffen, da Nicole auch vorher schon gewisse Ähnlichkeiten festgestellt hatte. Lediglich das Gesicht wies schwache Unähnlichkeiten auf.
Die Ähnlichkeit zwischen ihr und der Priesterin - war sie der Grund dafür gewesen, daß der Ruf sie, Nicole, erreicht hatte und keine andere Frau?
Es gab keine andere Lösung!
Wieder klatschte die Priesterin in die Hände. Die gnomenhaften Wesen verschwanden schlagartig, als hätten sie nur auf diesen Befehl gewartet. Die Augen der Priesterin funkelten.
Sie bewegte sich auf eine weitere Tür zu und trat auf einen Gang hinaus. Ein paar Meter weiter schwebte einer der Dunklen. Nicole nahm an, daß es jener war, der sie in das erste Zimmer begleitet hatte.
Die Priesterin winkte ihm herrisch zu. Lautlos setzte er sich in Bewegung und glitt hinter ihr her. Die namenlose Priesterin schritt den Gang entlang auf eine massive, verzierte Eisentür zu und öffnete sie. Dahinter erstreckte sich ein weiterer, dunkler Korridor.
Die Priesterin sah den Dunklen auffordernd an. Unter der Kapuze zuckte ein blaßblauer Strahl hervor, der sich blitzschnell auffächerte und nach seinem Erlöschen in dem Korridor ein mattes, schattenloses Leuchten entstehen ließ. Die Priesterin ging weiter auf eine Treppe zu, die Nicole erst erkannte, als sie direkt davorstand. Die Treppe führte in die Tiefe des Tempelgebäudes. Die Priesterin und der Dunkle in seiner schwarzen Kutte stiegen hinab. Das blasse, schattenlose Leuchten folgte ihnen, hüllte ihre nähere Umgebung in das eigentümliche Licht.
Wieder ein Korridor. Rechts und links schwere Eichentüren mit Gitteröffnungen. Offenbar war hier unten der Tempelkerker.
Du vermutest richtig, teilte sich die Priesterin der Französin mit.
Eine Gangbiegung…
Und dann wollte Nicole überrascht aufschreien. Doch sie besaß keine Kontrolle über die Stimmbänder des Gemeinschaf tskörpers .
Ein paar Meter weiter war eine Zellentür weit geöffnet, und von der Zelle weg in die andere Richtung bewegte sich ein Mann, den Nicole nur zu gut kannte: Zamorra!
Nicole konnte sich nicht vorstellen, auf welche Weise er sich befreit haben mochte. Für sie
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