0142 - Der Schwiegersohn des Teufels
den ein wenig singenden Tonfall ein. Als die Glocke neben mir wieder zu scheppern begann, weil der Kunde den Laden wohl verließ, war ich sicher, sie unter hunderten wieder zu erkennen.
Schritte näherten sich aus der Richtung, in der ich den Laden vermutete. Eine Tür öffnete sich, und daran, dass es leise klirrte, erkannte ich, dass sie eine Glasfüllung haben musste.
»Wer ist das?«, fragte der Mann aus dem Laden.
»Ein G-man, Iwanowitsch«, sagte jemand neben mir. »Schau ihn dir richtig an.«
»Was werdet ihr mit ihm machen?«
»Keine Ahnung«,sagte der Mann neben mir. »Vielleicht verlangen wir von seinem Chef Lösegeld. Dann wissen wir wenigstens, was ein G-man wert ist.«
Die beiden lachten.
Kurz darauf ertönte von irgendwoher hinter mir ein Pfiff. Ich bekam einen Stoß, und der Mann neben mir sagte: »Pass aüf, Schwager. Es geht abwärts, und die Treppe ist steil.«
Mit dem Fuß ertastete ich eine Steinstufe nach der anderen. Ich öffnete die Augen, obwohl sie noch stark schmerzten, doch ich konnte immer noch nichts sehen.
Es waren genau sechs Stufen, die ich abwärts ging. Ich wurde vorwärts geschoben. Dann schlug eine Tür hinter mir zu.
Ich tastete um mich, spürte eine kalte, feuchte Wand und lehnte mich daran. Als ich für einen Moment die Augen öffnete, sah ich über mir einen gelblichen Schimmer. Ich hielt es für eine Glühbirne. Anscheinend besaß der Raum keine Fenster.
Vorsichtig tastete ich mit dem Fuß meine nähere Umgebung ab. Als ich an etwas stieß, dass eine Liegestatt sein konnte, hörte ich es neben mir rascheln.
»Ist da jemand?«, fragte ich.
»Ja, ich«, sagte dann eine Jungenstimme.
»Wie heißt du?«, fragte ich.
»Gordon Swift«, sagte der Junge, »haben Sie Ihnen auch etwas in die Augen geworfen, Sir?«
»Ja, mir haben sie auch etwas in die Augen geworfen«, sagte ich und versuchte zu lächeln. »Wo bist du, Gordon?«
»Hier auf der Pritsche, Sir. Soll ich Sie herführen?«
»Ja, tu das«, sagte ich. »Aber lass das ›Sir‹ weg. Ich heiße Jerry. Kannst du denn schon wieder sehen?«
»Sie haben mir eine Waschschüssel gebracht, und Sammy hat mir die Augen ausgewaschen. Es tut nicht mehr weh, Jerry. Soll ich dir auch die Augen auswaschen?«
Gordon wartete meine Antwort nicht ab. Ich spürte, wie er mich an der Hand packte und mich auf die Liege drückte. Ich beugte mich nach vorn, er stellte mir die Schüssel mit dem Wasser auf die Knie und er schöpfte mit den hohlen Händen das Nass, dass er mir in die Augen platschte.
Der Schmerz ließ wirklich nach, und nach einer Weile konnte ich wieder einigermaßen sehen. Wenn auch mein Anzug ziemlich feucht geworden war, so musste ich den kleinen Kerl doch bewundern, weil er mir so selbstverständlich geholfen hatte.
»Soll ich versuchen, dir die Fesseln abzunehmen?«, fragte er.
Ich hielt ihm die Hände hin.
Gordon brauchte eine ganze Weile, bis er die Knoten so weit gelöst hatte, dass ich mir selber helfen konnte.
Ich massierte meine Handgelenke. Dann klopfte ich ihm auf die Schulter und sagte: »Du bist ein prächtiger Bursche, Gordon. Hast du gar keine Angst?«
»Ein bisschen«, gab er zu. »Aber nicht sehr viel. Bist du von der Polizei?«
Ich nickte.
»Und warum hast du dich fangen lassen?«, wollte er wissen.
Ich lächelte.
»Sie haben mich mit dem Pfeffer genauso hereingelegt wie dich«, sagte ich.
Der Kleine nickte sachverständig.
»So ist es«, meinte er. »Ohne Pfeffer hätten sie mich auch nicht gekriegt.«
***
Phil Decker wanderte seit einer halben Stunde ruhelos im Dienstzimmer umher, das er und ich gemeinschaftlich benutzten.
Es war jetzt 1 Uhr mittags, und seit ich zu Mackie Marlow gefahren war, waren drei Stunden vergangen.
Phil konnte sich nicht vorstellen, dass ich mich so lange in der Kneipe herumdrückte. Und er glaubte auch nicht daran, dass ich mich an die Verfolgung Kendales gemacht hatte, ohne ihn zu verständigen. Wir hatten es uns zur Gewohnheit gemacht, einander Bescheid zu sagen, wenn wir irgendwohin fuhren. Schließlich hielt es Phil nicht mehr aus. Er hängte sich ans Telefon und rief den Chef an.
»Ich machte mir Sorgen um Jerry«, sagte er, als Mr High sich meldete. »Er ist vor drei Stunden zu einer Kneipe in Harlem gefahren, wo er etwas über Kendale zu erfahren hoffte. Jerry hat bisher nichts von sich hören lassen. Ich habe ein ungutes Gefühl, Chef.«
»Es ist gut, Phil«, sagte Mr High. »Nehmen Sie sich noch einen Mann dazu und fahren Sie hin. Sagen Sie
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