0143 - Brücke ins Jenseits
einem Kind, und zwar von einem Mädchen im Alter zwischen zwei und vier Jahren.«
Ich schüttelte verwundert den Kopf.
»Ich möchte wissen, wie unsere Spezialisten so etwas aus ein paar ausgerissenen Haaren herauslesen können. Na, lassen wir die Haarspur auch fallen. Ein zweijähriges Mädchen kann keine Smith & Wesson viermal hintereinander abdrücken. Ich habe nichts mehr. Du?«
»Noch zwei Sachen. Zunächst einmal die Speichelanalyse des aufgefundenen Kaugummis. Der Mann, der den Kaugummi im Mund hatte, ist laut Speichelanalyse siebzehn oder achtzehn Jahre alt, gehört zur Blutgruppe O und leidet an einer Überfunktion der Schilddrüse.«
Ich stieß einen kurzen Pfiff aus und brummte danach: »Es ist unglaublich, was wir schon vom Täter wissen, ohne ihn auch nur von Weitem gesehen zu haben. Noch etwas?«
»Ja. Der kurze Vermerk, dass die zwei brauchbaren, auf dem Kaugummi gefundene Fingerabdrücke in unserer Kartei nicht enthalten sind und zur weiteren Suche per Bildfunk an die zentrale Fingerabdruckkartei des FBI in Washington durchgegeben worden sind.«
»Okay«, sagte ich und stand auf. »Wir haben einen Toten. Wir haben jetzt schon genug Beweismaterial, um dem Täter jede Kleinigkeit beweisen zu können - nur wir haben den Täter nicht. Komm, ich bin es leid, hier am Schreibtisch zu sitzen und Papierkrieg zu erledigen. Ich muss hinaus.«
»Wo willst du hin?«
»Mich in den an den Spielplatz angrenzenden Häusern umhören. Jemand muss doch die Schüsse gehört haben. Und es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn jemand vier Schüsse hört und nicht mal zum Fenster läuft, um nachzusehen, was da eigentlich los ist.«
Phil verdrehte die Augen.
»Das ist wirklich mal ein vernünftiger Einfall von dir«, sagte er. »Man merkt eben doch, dass du es dauernd mit einem intelligenten Freund zu tun hast.«
Ich verzichtete auf eine Erwiderung.
***
Wir fuhren mit dem Jaguar zu dem Spielplatz, wo sich das Drama in der vergangenen Nacht abgespielt hatte. Ich ließ den Wagen in der Seitenstraße stehen, wo wir auch in der Nacht unsere Wagen stehen hatten, und stieg aus. Phil kletterte auf der anderen Seite heraus.
Wir sahen uns um. Am Spielplatz führte eine Straße vorbei, und auf der anderen Seite dieser Straße stand ein langer Block von Mietwohnungen, die noch nicht älter als drei Jahre sein mochten.
»Wie viel Mieter schätzt du für ein Haus?«, fragte ich und deutete auf den langen Block.
Phil zuckte die Achseln. »Mindestens sechzig Familien pro Haus. Bei der Höhe?«
»Ich bin deiner Meinung. Los, fangen wir einfach bei dem Haus an, das dem Spielplatz am nächsten ist. Fang du jeweils mit der linken Wohnung an, ich mit der rechten,. Wer am ersten fertig ist, übernimmt die mittlere dazu, der andere macht dann in der nächsthöheren Etage weiter.«
»Okay.«
Wir überquerten die Straße. Vor uns lag eine der langweiligsten Aufgaben, die ein Kriminalist so oft zu verrichten hat: an eine riesige Anzahl von Menschen immer die gleichen Fragen mit nie nachlassender Aufmerksamkeit zu stellen.
Wir waren schon bis in die neunte Etage vorgedrungen, als auf mein Klingeln an der rechten Wohnungstür jemand mit tiefer Bassstimme rief: »Augenblick! Sie müssen sich eine Minute gedulden!«
»Okay!«
Ich geduldete mich. Mithilfe einer Zigarette empfand ich es als wohltuende Pause. Es zermürbt unsagbar, stundenlang dem Redefluss von Leuten zuzuhören, die im Grunde nichts zu sagen haben, und dabei immer konzentriert aufmerksam zu sein, weil irgendeine harmlose, nebenher erwähnte Kleinigkeit auch die Möglichkeit einer neuen Spur erbringen könnte.
Aus der einen Minute wurde sicherlich die doppelte Frist, bis endlich die Wohnungstür geöffnet wurde. Ein etwa fünfzigjähriger Mann stand in der Tür, der das linke Bein bis hinauf zum Knie in einem dicken Gipsverband trug. Er konnte anscheinend nicht damit auftreten, denn er hielt es mit der rechten Hand in der Kniebeuge hoch, während er sich mit der linken am Türrahmen festhielt.
»Guten Morgen«, sagte ich. »Ich bin Jerry Cotton vom FBI. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Der Mann zog seine dichten, buschigen Brauen zusammen, dass sie wie ein gerader, behaarter, dicker Wulst unter seiner Stirn hingen, sah mich durchdringend an und fragte, nachdem er mich sehr gründlich gemustert hatte: »Ein G-man? Können Sie sich ausweisen?«
»Natürlich, bitte.«
Ich hielt ihm meinen Dienstausweis hin. Er prüfte ihn sehr eingehend, dann brummte er
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