0143 - Brücke ins Jenseits
acht Häuserblöcke.«
»Der Chef möchte mit einem Mann sprechen, der in der Nähe von Jerry wohnt.«
»Ist etwas Besonderes?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Okay, ich fahr noch mal rauf und sehe nach, was der Chef auf dem Herzen hat.«
»Danke.«
Ben nickte und ging zurück zum Lift, mit dem er hinauf in die Etage fuhr, in der Mister Highs Arbeitszimmer lag. Er klopfte an und trat ein, als er die Antwort des Chefs hörte.
»Guten Abend, Mister High«, sagte er. »Unten sagte man mir, Sie brauchten einen Mann, der in der Nähe von Jerry wohnt.«
»Ja, Ben. Könnten Sie bei Jerry Vorbeigehen und ihm diesen Brief geben?«
»Sicher, Chef. Was soll ich dabei sagen?«
»Sagen Sie Jerry, ich hätte von unserer daktyloskopischen Abteilung auf dem Weg über die Fingerabdrücke den Schreiber des Briefes ermitteln lassen, da weder eine Unterschrift noch eine Absenderangabe vorhanden ist.«
»Okay - und wer schrieb auf diesem Fetzen?«
»Johnny Midwell. Der Name wird Ihnen und wahrscheinlich auch Jerry nichts sagen. In meiner Jugend nannte man diesen Mann den Gangsterkönig von der Bronx.«
Ben pfiff durch die Zähne.
»Also einer von den großen Alten?«
»Ja. Midwell ist heute 71 Jahre alt. Es wundert mich, dass er überhaupt noch lebt. Dass ein Gangster älter als fünfzig wird, ist schon ungewöhnlich. Mit jedem weiteren Jahr steigt die Wahrscheinlichkeit seines Todes, weil entweder aufgrund eines ausschweifenden Lebens seine Gesundheit ruiniert ist oder weil jüngere Gangster die Alten beiseiteräumen. Johnny war in den letzten zwölf bis fünfzehn Jahren verschollen. Kein Mensch wusste, wo er sich aufhielt. Deswegen glaubte ich, er wäre irgendwo unerkannt gestorben. Aber dieser Brief beweist ja eindeutig, dass er noch lebt. Sagen Sie Jerry, ich müsste es ihm überlassen, ob er der Aufforderung in diesem Brief nachkommen will oder nicht. Während der Dienstzeit haben wir wichtigere Dinge zu tun, als den mysteriösen Briefen alter Gangster zu folgen. Und für seine Freizeit kann ich Jerry keine Vorschriften machen.«
»Okay, Chef. Ich werde ihm alles erzählen. Sonst noch etwas?«
»Nein, danke, Ben. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau noch einen schönen Sonntagabend.«
»Danke, Chef, gleichfalls.«
Ben nahm den Packpapierfetzen, legte ihn sorgfältig in seine Brieftasche und ging.
***
Ben Charleston fuhr mit seinem eigenen Wagen nach Hause. Seine beiden kleinen Töchter, Margret und Henny, sieben und vier Jahre alt, bestürmten ihn jubelnd, als er die Wohnung betrat.
Er begrüßte sie herzlich und winkte seiner Frau zu, die ihren Kopf zur Küchentür heraussteckte.
»Du bist aber früh heute Abend!«, sagte seine Frau.
»Ja, wir konnten pünktlich Schluss machen, es war nichts los«, erwiderte Ben, während er der kleinen Henny die Schleife neu band, die sie in ihrem Haar trug und die bei der stürmischen Begrüßung aufgegangen war.
»Mit dem Essen dauert es aber noch ein paar Minuten, Liebling!«
»Das macht nichts. Ich muss sowieso noch mal weg.«
Seine Frau kam jetzt aus der Küche heraus.
»Du musst noch mal weg?«
Ben lachte, als er ihr besorgtes Gesicht sah.
»Nichts Ernsthaftes, Liebling. Ich muss nur mal eben rüber zu Cotton und ihm etwas geben. Das ist alles. Eine Bestellung vom Chef. Ich bin in spätestens einer Viertelstunde wieder da.«
Man sah, wie Lizzy Charleston aufatmete.
»Gut«, sagte sie und blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Bis dahin habe ich das Essen fertig.«
Ben nickte, winkte fröhlich seinen Kindern zu und verließ die Wohnung wieder.
Er wollte die kurze Entfernung zu Fuß zurücklegen. Nachdem er den ganzen Sonntag über im Bereitschaftsraum des Distriktgebäudes gesessen hatte, würde ihm ein kleiner Spaziergang nichts schaden.
Unterdessen arbeitete Lizzy fröhlich summend in der Küche. Die beiden Töchterchen waren hereingekommen und schauten neugierig zu.
Dann - mit einem kurzen Blick auf die elektrische Küchenuhr - sagte sie zu Margret: »Liebling, stell bitte die Teller auf den Tisch, ja? Henny, du kannst die Gabeln und die Messer zurechtlegen. Ich habe dir gezeigt, wie es gemacht wird, nicht wahr?«
Die beiden Mädchen liefen ins Esszimmer, und man hörte sie mit dem Essgeschirr klappern. Lizzy stellte die Schüsseln auf die Durchgabe, die zwischen Esszimmer und Küche in die Wand eingearbeitet war, überblickte rasch noch einmal alles, stellte den Wasserkessel für das Spülwasser auf den elektrischen Herd und schaltete die anderen
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