0144 - Alptraum in der Geisterbahn
meinem Jungen ins Gesicht, während die anderen Ennio festhielten. Es war für ihn die Hölle. Er hatte ungeheure Schmerzen. Sein Gesicht fing an zu bluten. Wo die Spritzer trafen, quoll Blut aus den Wunden. Aus Wunden, die sich nicht mehr schließen ließen. Ennio mußte mit diesem Gesicht herumlaufen. Als die anderen sahen, was mit ihm geschehen war, da rannten sie weg. Schreiend und voller Panik. Ennio kam zu mir. Seit diesem Tage an versteckte ich ihn, und seit diesem Tag schwor er Rache. Er wollte sein Gesicht oder ein anderes zurückhaben, doch der Teufel gab ihm keins. Er veränderte Ennio nur. Sein Körper wuchs, er wurde größer als die anderen Kinder. Und seine Seele ähnelte immer mehr der des Satans. Für ihn gab es nur noch den Teufel und ein anderes Gesicht. In London kauften wir die Geisterbahn. Hier war er in seinem Element. Diese Bahn war sein Reich. Er hatte eine Aufgabe gefunden, er konnte die Leute erschrecken, und niemand ahnte, daß er ein echtes Monster war. Ennio wurde die Attraktion. Für eine Zeit vergaß er seinen Wunsch nach einem neuen Gesicht. Bis es ihn dann mit aller Macht überkam. Er nahm sich das Beil, nachdem er mit Viola eine Beschwörung durchgeführt hatte. Heute nun hat er ein neues Gesicht bekommen, und Sie wollen es ihm wieder wegnehmen. Nein, niemals. Sie haben sein anderes Ich schon getötet, und er hat nur einen neuen Körper bekommen, und er wird auch noch ein neues Gesicht kriegen. Dafür sorge ich. Und wissen Sie auch, welches Gesicht mein Sohn bekommen wird, Polizist? Das von Ihnen!«
Die letzten Sätze schrie sie mir entgegen. Ich sah den Fanatismus in ihren Augen, der sich mit dem Haß gepaart hatte. Mir wurde klar, daß hier eine unversöhnliche Gegnerin vor mir stand.
Aber eine erkannte Gefahr ist eine halbe Gefahr. Davon ging ich aus und wollte aufstehen.
Es blieb beim Vorsatz.
Plötzlich wurde die Tür aufgetreten, und ein rothaariges Mädchen stand auf der Schwelle.
In ihren Händen hielt sie eine Maschinenpistole, deren Mündung auf meinen Körper wies…
***
Rudys Hand mit der Lampe zitterte. So sehr hatte ihn der Anblick geschockt.
»Das… das Monster«, bibberte er.
Alle drei starrten in das schreckliche Gesicht. Und durch das Zittern des Lampenstrahls wirkten die blutenden Stellen in dem Gesicht noch schauriger.
Auch Coleen erkannte den Unheimlichen. Und sie sah noch mehr. Der Kopf saß auf dem Körper ihres Verlobten.
Wie in der Geisterbahn!
Sie schrie.
Coleen schrie wie von Sinnen, sank zu Boden und fiel dabei quer über einen der Särge. Mit dem Ellbogen räumte sie die Lampe ab, die brennend am Boden liegenblieb.
Rudy und Tom kannten Ennio natürlich. Sie hatten ihn fast jeden Tag gesehen, aber nie hatte er ein Wort mit ihnen gewechselt, obwohl beide schon einige Zeit auf der Geisterbahn arbeiteten und für den technischen Ablauf verantwortlich waren. Ennio hielt sich immer versteckt, zudem hatten Rudy und Tom auch Angst vor ihm.
Sie trauten ihm nicht über den Weg. Daß er ausgerechnet jetzt auftauchte, paßte ihnen überhaupt nicht, denn an ihn hatten sie gar nicht mehr gedacht.
Ennio fletschte die Zähne. Seine dunklen Augen wirkten wie zwei kleine Kugeln. Gefühl war darin nicht zu erkennen – nur Grausamkeit.
Doch etwas war anders. Beide Männer merkten es, als Rudy den Lampenstrahl nach unten wandern ließ.
Das Monster hatte einen anderen Körper.
Viel schmaler als sonst, zudem trug er eine völlig neue Kleidung.
Lederjacke und Pullover.
Das gab den beiden den zweiten Schock.
»Laß uns fliehen!« flüsterte Rudy, der plötzlich Angst bekam.
»Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Dahinter steckt der Teufel.«
Als Ennio den Namen hörte, fing er an zu lachen, und Rudy zuckte zusammen, als hätte ihm jemand mit einer Peitsche über den Rücken geschlagen.
Tom zögerte noch.
Er sah das Monster, er sah das Mädchen. Und sie waren zu zweit.
Mit dem Kerl würden sie schon fertig werden. Eine Abreibung hatte er Ennio schon lange gegönnt.
»Wir bleiben«, sagte Tom. Und zu dem Monster gewandt: »Hau ab, du Mistkerl!«
Rudy ging einen Schritt vor und stieß seinen Freund an. »Mach dich nicht unglücklich«, flüsterte er. »Laß uns gehen. Bitte…«
Tom schüttelte den Kopf. »Unsinn. Wir gehen nicht, sondern er. Wir bleiben. Denkst du, ich verzichte auf die Puppe?«
»Die kannst du auch ein anderes Mal…«
»Nein verdammt!« Tom war sauer und stieß seinen Kumpan zur Seite. »Hier habe ich zu sagen!« Er wandte sich
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