0145 - Turm der toten Seelen
graue Haar war kurz geschnitten, sein Gesicht streng und schmal. Die Augen spiegelten Intelligenz und Hartnäckigkeit wider.
Im Morgengrauen war Krupa zum Dorf hinübergefahren, um Carl Ellis’ Selbstmord zu melden. Er war mit einigen Polizeibeamten zum Leuchtturm zurückgekommen.
Die Stimmung war denkbar schlecht.
Keiner hatte Appetit. Außer Anharad Mondy, dem Leichenbestatter, dem Leichen nichts ausmachten, hatte niemand ein Frühstück zu sich genommen.
Rees hatte alle in ihre Zimmer geschickt. Und dann begann er, einen nach dem anderen in den Salon zu bitten.
Als Inspektor Rees jeden einzelnen verhört hatte, kam er zu dem Schluß, daß es kein Selbstmord gewesen sein konnte. Vielmehr tippte Rees auf Mord.
Nur - wer kam außer den sechs Freunden und den beiden Frauen als Täter in Frage?
Hannah Salem?
Rees war im Dorf aufgewachsen und kannte die Hexe und ihren Terror, aber sein Job als Polizeiinspektor verbot ihm, an übernatürliche Kräfte zu glauben.
Als der Inspektor Al Rees zum Dorf zurückfuhr, war eines klar: Niemand durfte ohne seine Genehmigung den Turm verlassen.
Ireen Tool und Billy Green Hawks blieben in ihren Zimmern. Timothy Hignett saß mit Krupa, Nicole Duval und Professor Zamorra im Salon. Gene Sims war irgendwo draußen. Anharad Mondy lief wie ein gereizter Tiger auf und ab. Er trank sehr viel, wurde davon aber nicht betrunken.
Roy Krupa blickte in die Runde und zuckte dann bedauernd die Achseln.
»Eigentlich habe ich mir unser Wiedersehen anders vorgestellt - ohne Toten, ohne Polizei.«
Hignett klemmte die Hände zwischen seine Beine.
»Roy! Zamorra! Ihr seid doch Parapsychologen. Warum unternehmt ihr nichts gegen Hannah Salem?«
»Es gibt natürlich einige Tricks, mit denen man einem solchen Spuk unter Umständen beikommen kann«, sagte Krupa. »Ich habe zum Beispiel einige Fallen aufgestellt. Wenn Hannah Salem da hineingerät, ist sie verloren. Aber sie ist verdammt schlau, sie umgeht diese Fallen.«
»Was sind das für Fallen?« fragte Timothy Hignett.
»Es gibt verschiedene Zaubermittel, gegen die ein Geist nichts auszurichten vermag: Drudenfuß, Zauberkreise und solche Dinge…«
Anharad Mondy kam mit glasigen Augen auf die Gruppe zu.
»Wann werdet ihr endlich aufhören, dämliche Reden zu schwingen, he? Wann werdet ihr endlich einsehen, daß wir nur noch kurze Zeit zu leben haben? Es wird uns allen an den Kragen gehen. Allen, die hier in diesem Leuchtturm den Frevel begangen haben, Hannah Salems Ruhe zu stören. Sie wird sich einen nach dem anderen holen. Mit Carl Ellis hat sie angefangen. Aber sie wird sich mit einem Toten nicht zufriedengeben und keinen von uns verschonen. So sieht die Wahrheit aus, meine Herrschaften. Je eher ihr euch damit abfindet, um so besser.«
Nicole Duval zuckte zusammen.
»Sei still, Anharad!« sagte Zamorra schroff.
Mondy pflanzte sich breitbeinig vor dem Professor auf, zog die Mundwinkel verächtlich nach unten und schrie: »Hör mal, ich lasse mir doch von dir nicht das Wort verbieten!«
Zamorra schnellte hoch.
»Laß ihn!« rief Nicole. »Er ist betrunken.«
Aber da war Zamorras Faust schon unterwegs. Mondy taumelte zurück und schlug wie ein gefällter Baum auf den Rücken. Nun sprangen auf Krupa und Hignett auf und hielten Zamorra zurück. Mondy regte sich erst nach zwei Sekunden wieder. Er kam wutschnaubend auf die Beine. Krupa und Hignett drängten ihn ab.
»Geh ein bißchen an die frische Luft, Anharad!« riet ihm Krupa. »Sie wird dir guttun.«
»Er hat mich angegriffen!« schrie Mondy zornig.
»Du hast ihn provoziert, Anharad«, erinnerte Krupa.
»Na klar, du stehst auf seiner Seite. Ihr seid ja Kollegen. Ich bin immer allein gewesen. Ihr wart stets alle auf Zamorras Seite.« Er wischte sich das Blut von den Lippen und warf dem Professor einen haßerfüllten Blick zu. »Das kriegst du zurück. Verdammt, das zahle ich dir heim. Niemand darf mich ungestraft schlagen!«
»Schnapp frische Luft, Anharad!« sagte Krupa. Er öffnete die Tür. Gene Sims kam herein. Hignett und Krupa drängten den häßlichen Leichenbestatter mit sanfter Gewalt aus dem Turm und schlossen hinter ihm die Tür.
»Ihr kotzt mich an!« brüllte Mondy.
***
An diesem Tag gab es keine Sonne am Himmel. Die Luft war kalt und trübe. Es sah nach Regen aus.
Anharad Mondy entfernte sich mit unsicheren Schritten von der Eingangstür des Leuchtturms. Er murrte, schimpfte und maulte. Er ließ kein gutes Haar an seinen Freunden und betonte immer wieder,
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