0145 - Turm der toten Seelen
Brandgeruch nahm zu. Hignett wurde unruhig und sah sich im Zimmer um, entdeckte aber kein Feuer, keine Gefahr. Möglicherweise brannte es draußen, vor seiner Tür. Er wunderte sich, daß die anderen nichts merkten. Benommen erhob er sich. Ein stechender, übelriechender Dunst legte sich auf seine Lunge und verstärkte seine Benommenheit.
Hignett wurde von einem Schwindelanfall gepackt und mußte sich für einige Sekunden an die Wand lehnen. Und während er gegen dieses unerklärliche Unwohlsein ankämpfte, vernahm er einen gedehnten, traurigen, hypnotischen Singsang.
Als er sich ein wenig besser fühlte, begab er sich auf unsicheren Beinen zur Tür. Der Journalist machte sie einen Spaltbreit auf und steckte die Nase hinaus. Der eigenartige Rauch brannte in seinen Augen und ließ sie tränen. Grüngraue Schwaden schwebten aus den Fugen der gegenüberliegenden Tür.
Timothy Hignett wurde davon magisch angezogen. Er befand sich zu dieser Zeit allein im Obergeschoß des Leuchtturms; die anderen saßen unten im Salon.
Hignett näherte sich mit angespannten Nerven der Tür. Seine Hand legte sich wie selbstverständlich auf die Klinke. Er drückte sie nach unten, und sie gab lautlos nach. Die Tür schwebte geisterhaft zur Seite. Im dahinterliegenden Raum entdeckte der Mann eine Art Kohlenbecken auf dem Fußboden. Winzige grüne Flammen flackerten daraus hervor. Jemand verbrannte hier etwas, das diesen ekelhaften Qualm erzeugte.
Dann schoß eine grüne Flamme aus dem schwarzen Kohlebecken hoch. Plötzlich stand Hannah Salem vor Hignett. Die schrecklich verhutzelte Alte drehte sich immerzu im Kreis, während sie diesen klagenden, hypnotischen Singsang von sich gab. Sie reckte ihre spindeldürren Arme hoch und blieb stehen. Voll Haß starrte sie Timothy Hignett an. Plötzlich hatte sie ein flammendes Messer in ihrer rechten Hand.
Hignett begriff, was sie vorhatte, wollte herumschnellen und den Raum verlassen, aber seine Beine schienen Wurzeln geschlagen zu haben. Er klebte auf dem Bretterboden fest, vermochte sich keinen Millimeter zu rühren.
Hannah kreischte verzückt auf. Mit tappenden Schritten kam sie näher, ging durch das Feuer, ohne zu verbrennen. Abgrundtief böse war der Ausdruck ihres abstoßenden Gesichts. Und schon warf sie das brennende Messer nach Hignett. Er wollte sich ducken, blieb aber aufrecht stehen. Er zuckte nicht einmal mit den Wimpern, als ihm die flammende Klinge in die Brust fuhr. Timothy spürte, wie der brennende Stahl sein Herz berührte.
***
Niemand wußte von Timothy Hignetts Schicksal.
Roy Krupa sprach davon, daß es im Turm einen Keller geben müsse, den er jedoch trotz der Umbauten nicht hatte finden können.
»Dort sollen Gebeine von Menschen liegen, die Hannah Salem…« Er unterbrach sich, als er sah, wie Nicole Duval mit zitternden Händen eine Zigarette anzündete. »Entschuldigen Sie, Nicole«, sagte er mit einem verlegenen Lächeln, »Wir sollten wirklich von anderen Dingen sprechen. Ich bin ein denkbar schlechter Gastgeber.«
Als Roy Krupa das Abendessen servierte, half ihm Nicole Duval. Anharad Mondy kam schlaftrunken aus seinem Zimmer. Er wirkte noch häßlicher als sonst. Das furchtbare Erlebnis mit Hannah Salem hatte ihn um Jahre altern lassen.
»Und wo ist Timothy?« fragte Roy Krupa, als alle um den Tisch saßen.
»Ich sehe mal nach ihm«, sagte Professor Zamorra. Er erhob sich, lief nach oben und klopfte an Timothys Tür. »Timothy! He, Timothy, du kleiner Trunkenbold, es gibt Abendessen! Kommst du nicht runter?«
Im Zimmer blieb es still.
»Timothy!« Zamorra klopfte erneut. Als Hignett sich daraufhin immer noch nicht meldete, öffnete der Professor beunruhigt die Tür. »Timothy?« Er machte Licht. Der Journalist war nicht da.
Kopfschüttelnd kehrte er zu den anderen zurück.
»Er ist nicht oben.«
»Nicht oben? Aber er ging doch hinauf.«
»Wo kann er denn sonst stecken?« fragte Gene Sims und sah dabei Roy Krupa an, der sich im Turm am besten auskannte.
»Er müßte an uns vorbeigekommen sein, wenn er den Turm verlassen hätte«, erwiderte Krupa.
Beunruhigt begannen sie, Timothy Hignett gemeinsam zu suchen. Aber auch das brachte sie nicht weiter. Hignett war und blieb verschwunden.
***
Ireen Tool saß angekleidet auf dem Bett. Ihr Koffer war gepackt. Sie rauchte die Zigarette fertig und stieß sie dann nervös in den Aschenbecher.
»Was ist nun, Billy, kommst du mit, oder soll ich allein fahren?«
»Verdammt, Ireen, denkst du wirklich, Hannah
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