015 - Die Augen des Dr. Schock
sich zwischen den Welten, in einer Dimensionsfalte ist er verborgen. Es ist nicht einfach, ihn zu finden, und auf dem Weg dorthin lauern viele Gefahren, die es zu überwinden gilt. Doch selbst wer den Tunnel der Kraft gefunden hat, muß sich den Eintritt erst erkämpfen.«
»Warum macht man es euch so schwer?« wollte ich wissen.
»Wenn ein Dämon oder Ex-Dämon seine Kraft verliert, ist er ein Versager. Und nur diejenigen, die vor dem Tunnel der Kraft über sich selbst hinauswachsen, sind würdig, ihre übernatürlichen Fähigkeiten wiederzuerlangen. Die andern bleiben kraftlos irgendwann und irgendwo auf der Strecke.«
»Glaubst du, du kannst allen Gefahren trotzen, Silver?«
Der Ex-Dämon kniff grimmig die Augen zusammen. »Ich werde es auf jeden Fall versuchen. Habe ich keinen Erfolg, bin ich nicht wert, zur Erde zurückzukehren. Dann mußt du dich nach einem anderen Kampfgefährten umsehen.«
***
Esram Bannon hatte es geschafft. Sein Verfolger hatte seine Spur verloren. Bannon wischte wie ein Geist durch die Dunkelheit und erreichte eine Tür aus grau lackiertem Metall. Es handelte sich um einen Notausgang. Bannon trat heran. Es war nicht schwierig für ihn, die Tür zu öffnen. Er preßte die Hände gegen das Metall und schickte die in ihm befindliche Kristallmagie hinein, die auf den eisernen Riegel einwirkte, der sich an der Innenseite der Tür befand.
Unsichtbare Finger schienen sich um den Riegel zu schließen. Sie hoben den Hebel an und drehten ihn zur Seite.
Esram Bannon trat zurück, und die Tür des Notausgangs schwang langsam auf. Der lebende Leichnam grinste.
Seit er mit den Kräften der Höllenmagie eins geworden war, hatte er eine wesentlich größere Übersicht.
Obwohl er noch nie hier gewesen war, wußte er, wo er sich befand und daß er hierher hatte kommen wollen.
Er ging einen kurzen Gang entlang, gelangte wieder vor eine Tür, die jedoch nicht abgeschlossen war. Ohne daß er sie berührte, tat sie sich vor ihm auf. Er schien hier willkommen zu sein, und er beabsichtigte, hier seinen höllischen Einfluß voll zu entfalten.
Bannon betrat einen großen Saal, in dem viele reglose Gestalten standen. Wachsfiguren waren es.
Nicht jene weltberühmten Wachsfiguren der Madame Tussaud, sondern andere. Während Madame Tussaud vorwiegend die Berühmtheiten dieser Welt ausstellte, regierten hier das Grauen und die Gänsehaut, denn in diesem Etablissement wurden nur Personen gezeigt, die mindestens drei Menschen ermordet hatten.
Sämtliche Mörder, die in jüngster Zeit Schlagzeilen gemacht hatten, waren hier zu sehen. Der Besitzer dieser Gruselkammer, Martin Brock, versuchte stets auf dem laufenden zu sein. Er ließ keine schaurige Sensation aus und stellte die Massenmörder stets bei der Ausübung ihres blutigen Werks dar.
Da wurde mit Äxten erschlagen, mit Beilen geköpft, mit Dolchen getötet, mit Stricken stranguliert…
Und die Wachsfiguren hatten eine so verblüffende Ähnlichkeit mit den wirklichen Verbrechern, daß man meinen konnte, die echten Personen wären nur mit einer dünnen Wachsschicht überzogen und hier ausgestellt worden, und so mancher schaudernde Besucher konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Figuren jederzeit zum Leben erwachen könnten.
Namensschilder verrieten, um welche grausamen Berühmtheiten es sich jeweils handelte, und es wurde auch peinlich genau angeführt, wie viele Menschenleben dieser oder jener auf dem Gewissen hatte.
Esram Bannon schritt mit nackten Füßen durch die Finsternis. Zielstrebig näherte er sich einem großen Mann mit Kinnbart. Der Blick dieser Wachsfigur hatte etwas Diabolisches, Zwingendes an sich. Mit weit aufgerissenen Augen, von denen eine hypnotische Kraft ausging, starrte die Figur ein blutjunges Mädchen an, das vor ihm stand und sich selbst ein langes Messer in die Brust stieß.
Der Mann hieß Melvin McGuane.
Alle Welt kannte ihn unter dem Namen Dr. Schock. Mehr als ein Dutzend Menschen waren ihm zum Opfer gefallen. Er hatte sie mit der Kraft seines grauenerregenden Blickes ermordet, brauchte an keines seiner Opfer selbst Hand anzulegen. Es genügte, wenn er sie mit diesen großen, bösen Augen anstarrte und ihnen seinen Willen aufzwang.
Sie brachten sich daraufhin alle selbst um.
Zu dieser Figur fühlte sich Esram Bannon hingezogen. Ihr wollte er mit Hilfe der Kristallmagie Leben einhauchen. In diesen wächsernen Körper wollte Bannon eintauchen. Es war seine Absicht, mit Dr. Schock zu verschmelzen und in seiner
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