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0150 - Der »Mongole« und wir

0150 - Der »Mongole« und wir

Titel: 0150 - Der »Mongole« und wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der »Mongole« und wir
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Kalifornien und Texas sieben Morde an Frauen. Das waren nur zwei Morde mehr als der Durchschnitt der letzten zehn Jahre, ein Zufall. Trotzdem bemächtigte sich der Öffentlichkeit, und zwar der Öffentlichkeit der gesamten Vereinigten Staaten, große Erregung. Man hielt einen Mann für den Täter, den ein Farmer in Iowa unmittelbar nach dem Mord gesehen haben wollte. Er wurde als groß, mit wirren Haaren und einem unmenschlichen Gesicht beschrieben. Er sollte stark sein wie ein Gorilla, und später erzählte man, der Mann sei gar kein richtiger Mensch, sondern ein Geschöpf, das von einem verrückten Arzt durch Spritzen mit einem geheimnisvollen Hormon sehr verändert worden war. Der Name des Arztes war Dr. Green. Er beging Selbstmord, als sein Geschöpf aus dem Käfig entwich und die Untaten beging. Dieses Ungetüm, das schließlich nur der Gorilla genannt wurde, lähmte drei Monate lang die Bürger von sechzehn der achtundvierzig Staaten. In der Nähe von Sootherfield wurde es gesichtet. Dreihundert Bürger der Stadt, sechzig Polizisten und drei Sheriffs jagten es vier Tage und Nächte lang mit Hunden. Zwei der Hunde, die sich zu weit vorgewagt hatten, wurden zerrissen und schrecklich zugerichtet aufgefunden. Aber das Ungetüm entdeckte man nicht. Durch viele Nächte hindurch wagte sich keine Frau mehr allein auf die Straße. In einer Konkurrenzzeitung der Night Manhattan Post erschien ein Artikel von einer gewissen Nelly Weyer unter der Überschrift: Ich entkam dem Gorilla. Bilder der Frau wurden veröffentlicht. Sie hatte schreckliche Kratzwunden im Gesicht.«
    Er machte eine Pause und goss genüsslich neuen Orangensaft in sein Glas.
    »Wir haben nach dem Mongolen gefragt, nicht nach dem Gorilla.«
    »Meine Antwort ist korrekt. Man kannte den Gorilla genau, wusste den Namen seines Schöpfers, hatte ihn gesehen und besaß sogar das Zeugnis eines entkommenen Opfers. Trotzdem gab es ihn nicht, und die kühlen Köpfe in den Büros der Kriminalpolizei und des FBI wussten von Anfang an, dass es ihn nicht gab. Drei der Frauenmorde lagen zeitlich viel zu nahe beieinander und räumlich viel zu weit auseinander, als dass sie von dem gleichen Mann begangen worden sein konnten. Im Laufe der Jahre verhaftete man vier Täter, denen man sechs der sieben Morde nachweisen konnte. Nur ein Mord blieb ungeklärt.«
    »Und der Farmer, der den Gorilla zuerst gesehen haben wollte?«
    »War ein Spinner, der später wegen Verfolgungswahn in ein Irrenhaus gebracht werden musste.«
    »Der Arzt?«
    »Den gab es wirklich. Er hieß wirklich Dr. Green. Er hatte wirklich mit Spritzen gearbeitet, und beging Selbstmord. Soweit stimmt alles, nur dass Dr. Green nicht geheimnisvolle Hormone verspritzte, sondern Süchtigen gegen schwere Dollars Morphiumspritzen gab. Selbstmord beging er, als er aufzufliegen drohte.«
    »Die Jagd in Sootherfield?«, fragte ich.
    »War eine Jagd nach .einem Phantom, das nicht existierte. Die Leute waren hysterisch genug, hinter jedem Schatten herzurasen, wahrscheinlich sogar hinter dem eigenen.«
    »Aber die Hunde?«, warf Phil ein.
    »Auch das wurde geklärt. Sie gerieten an einen Luchs, und der Luchs erledigte sie.«
    »Bliebe noch Nelly Weyer, die die persönliche Begegnung mit dem Gorilla hatte.«
    »Sie hatte eine persönliche Begegnung mit einem Treibriemen in der Fabrik, in der sie arbeitete. Der Riemen riss, traf ihr Gesicht und verursachte ziemlich hässliche Wunden. Nelly war damals mit einem windigen Journalisten befreundet. Der Junge hatte eine gute Nase für Konjunktur. Er verfasste den Schrieb. Das Mädchen war mit allem einverstanden, als er ihr vorspiegelte, sie würde vom Film entdeckt werden und für die Hauptrolle eines Gorilla-Films engagiert werden. Übrigens wurde dieser Film damals tatsächlich geplant.«
    Ich verteilte den Rest Jim Beam in Phils und mein Glas.
    »Vielen Dank für dieses einleuchtende Beispiel einer Massenhysterie. Ich bewundere dein Gedächtnis.«
    »Kein Grund«, brummte Frazer. »Die Geschichte hätte mich damals beinahe meine Stellung gekostet. Night Manhattan Post war praktisch die einzige Zeitung in den Vereinigten Staaten, die sich über den Gorilla lustig machte. Durch Monate hindurch sank unsere Auflage. Der Chef war nahe daran, mich zu feuern. Gerade noch rechtzeitig wurde einer der wirklichen Mörder verhaftet, und von diesem Augenblick an waren wir natürlich wieder obenauf.«
    »Und bei dem Mongolen handelt es sich auch um Massenhysterie?«, fragte Phil.
    Tom wiegte

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