0152 - Der Gigant von Atlantis
Es war ruhig, und ich glaubte, noch einen letzten Duft von Glendas Kaffee zu riechen.
Aus dem Impressum erfuhr ich, daß der Verlag in New York seinen Sitz hatte. Die Telefonnummer war auch angegeben. Über das Atlantikkabel versuchte ich, New York zu kriegen. Es war gar nicht so einfach, aber schließlich stand die Verbindung. Weit entfernt hörte ich eine Stimme. Und nun verfluchte ich es, daß wir Samstag hatten. Ich hatte irgendeinen Nachtwächter oder was weiß ich an der Strippe. Den konnte ich ja nun nicht fragen, aber ich brachte ihn soweit, daß er mir die Adresse des Verlegers verriet. Den rief ich an.
Diesmal klappte die Verbindung besser. Der Verleger, Walter Bryant mit Namen, war zu Hause. Und er zeigte sich überrascht, aus London und dazu noch von Scotland Yard angerufen zu werden.
»Habe ich was verbrochen?« lachte er.
»Nein.« Dann erklärte ich ihm mein Problem.
»Ach, den Artikel meinen Sie. Natürlich weiß ich, wer ihn geschrieben hat. Julio Valdez, einer meiner besten Reporter.«
»Kann ich seine Telefonnummer haben?«
»Wieso?«
»Ich möchte ihn anrufen.«
»Das verstehe ich schon. Aber Valdez ist nicht zu Hause. Er ist vorgestern nach London geflogen.«
»Was?«
»Ja, er steckt bei Ihnen. Wußten Sie das nicht?«
»Nein.«
»Da hätten Sie sich das Gespräch sparen können. Rufen Sie im Hilton an. Dort wollte er absteigen. Aber sagen Sie mal, worum geht es eigentlich, Mr. Sinclair? Da scheint sich ja was zusammenzubrauen.«
Ich hatte nicht vor, dem Verleger alles unter die Nase zu binden, deshalb wiegelte ich ab. »Es geht mir wirklich nur um den Artikel, Mr. Bryant.«
»Das glaube ich Ihnen zwar nicht, aber ich werde meinen Reporter fragen. Alles Gute für Sie.« Dann war die Verbindung unterbrochen. Ich starrte auf den Hörer. Die Informationen mußte ich erst einmal verdauen.
Julio Valdez hieß also der Mann, der den Artikel geschrieben hatte. Und dieser Valdez befand sich in London. Er wohnte im Hilton.
An Zufall wollte ich dabei nicht glauben. Valdez schien irgend etwas mit der Sache zu tun zu haben. Vielleicht steckte er sogar mit drin.
Das jedoch waren nur Vermutungen. Beweise hatte ich nicht, aber ich wollte mit Valdez reden.
Die Nummer hatte ich schnell herausgefunden. Die stets verbindliche Stimme eines Hilton-Angestellten schallte mir entgegen, und ich fragte nach Mr. Valdez.
»Einen Moment, Sir. Ich werde sehen, was sich machen läßt.« Ich mußte warten, hörte es ein paarmal knacken und dann wieder die Stimme des Mannes.
»Es tut mir außerordentlich leid, Sir, aber Mr. Valdez ist leider nicht zu sprechen.«
»Ist er abgereist?«
»Nein, aber nicht im Hause.«
»Danke sehr.«
Valdez war also unterwegs. Aber wie sollte ich einen Mann in London finden, von dem ich nur seinen Namen kannte, nicht aber sein Aussehen? Unmöglich.
In diesem Moment meldete sich das Telefon. Überrascht hob ich ab und war noch überraschter, als ich die Stimme einer alten Freundin hörte.
»Hallo, Lady Sarah«, rief ich. »Das ist ein Ding. Was verschafft mir die Ehre Ihres Anrufs?«
»Mr. Sinclair. Nach einigem Hin und Her habe ich Sie endlich erreicht. Darf ich Ihnen einen Besuch abstatten?«
»Selbstverständlich, Mrs. Goldwyn. Im Prinzip schon. Nur habe ich im Augenblick…«
»Sie arbeiten an einem Fall!«
»Ja.«
»Ich ebenfalls. Um mit Ihnen ein Schäferstündchen zu verbringen, hätte ich Sie nicht angerufen«, sagte die Horror-Oma. Ich mußte grinsen, wie sie das brachte. »Ich habe wirklich eine sehr seltsame Sache erlebt. Haben Sie schon mal Nashornmenschen gesehen, Mr. Sinclair?«
Ich war wie elektrisiert. »Natürlich habe ich davon gehört, Mrs. Goldwyn. Soll ich zu Ihnen kommen, oder wollen Sie…«
»Keine Panik, John Sinclair, ich komme. Und benehmen Sie sich, wenn ich beim Yard bin. Sie wissen ja, ich bin eine Dame!« Die Lady räusperte sich und legte auf.
Ich lachte. Diese Horror-Oma hatte ich in mein Herz geschlossen.
Obwohl wir erst zweimal miteinander gearbeitet hatten, waren wir uns doch auf Anhieb sympathisch gewesen. Daß sie jetzt wieder über einen Fall gestolpert war, konnte man als typisch bezeichnen.
Lady Sarah hatte eben ein Faible für Horrorfälle. Und nicht nur das, sie schien auch eine magische Anziehungskraft zu besitzen.
Ich lächelte vor mich hin. Hätte ich allerdings gewußt, was sich da, zusammenbraute, wäre mir das Lächeln vergangen…
Lady Sarah rief ein Taxi an.
Sie hatte immer ihren bestimmten Unternehmer. Dort in
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