0154 - Desteros Rache
Dieser höllische Poker war nicht zu meinen Gunsten entschieden worden. »Komm schon, Geisterjäger!«
»Nur keine Eile!« Mein Blick glitt tiefer. Ich sah den Kleinen, der mir aus großen Augen entgegensah und jetzt die Lippen zu einem Lächeln verzog.
Der Anblick schnitt mir ins Herz und hinterließ dort eine schmerzende Wunde.
Was konnte ein kleines Kind dafür, daß es eine Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse gab? Johnny war in die Gefahr geraten, zwischen den Steinen zerrieben zu werden. Das mußte man ganz klar sehen.
Und das wollte ich auf gar keinen Fall. Ich wollte Johnny nicht in meiner Nähe haben, wenn ich gegen den Dämonenhenker einen Kampf auf Leben und Tod ausfocht. Er mußte weg.
Ich reagierte gedankenschnell. Bevor Destero auch nur etwas unternehmen konnte, schnellte mein rechter Arm vor, ein blitzschneller Griff, und ich hatte Johnny gepackt und zu mir herangezogen.
Sofort warf ich mich zurück.
Ich hörte ein Pfeifen und registrierte, daß Destero, der brutale Schlächter, tatsächlich zugeschlagen hatte. Er hatte das Kind töten wollen, doch die Klinge verfehlte uns, sirrte mit der Spitze über die Steinplatte und ließ einen Funkenbogen entstehen. Als Destero das Schwert wieder anhob, drückte ich dem überraschten Bill seinen Jungen in den Arm. »Halt ihn fest«, sagte ich nur und wandte mich sofort wieder um, denn ich rechnete mit einer weiteren Aktion des Henkers. Doch der war auf der Platte stehengeblieben. Glück gehabt.
Auch Asmodina griff nicht ein. Sie sagte nur: »Auch das wird dir nichts helfen!«
Nein, bestimmt nicht. Aber diese Aktion hatte so etwas wie den Mut und den Trotz in mir hochgepeitscht, obwohl mein Leben weiterhin an einem seidenen Faden hing. Ich ging wieder vor. Und diesmal betrat ich ohne zu zögern die runde Steinplatte, die als Kampfplatz diente. Sofort ging Destero zurück und nahm eine Kampfhaltung ein. Den linken Arm hatte er etwas zurückgenommen, in der rechten Hand hielt er das Schwert. Wenn man die mörderische Klinge aus der Nähe sah, dann erkannte man erst, wie scharf sie doch an beiden Seiten geschliffen war. Die zerhieb alles.
Auch mich.
Noch zögerte der Dämonenhenker. Ich erkannte schon sehr bald den Grund. Er wartete auf das Signal. Das gab Asmodina! »Fang an!« schrie sie…
***
Shao hatte es am Rand der Grube nicht lange ausgehalten. Kaum war Suko verschwunden, da rannte sie zurück. Sie lief quer durch den Garten, die Angst schüttelte sie und auch die Befürchtung, daß alles zu spät war.
Der Weg kam ihr auf einmal doppelt so lang vor, und als sie schließlich gegen das Tor fiel, hatte sie kaum noch die Kraft, darüber zu klettern. Das mußte sie jedoch, weil es sich auch von innen leider nicht öffnen ließ.
Sie keuchte. Shao wußte wirklich nicht, was sie noch unternehmen sollte, deshalb wollte sie Sir James Powell anrufen.
Vielleicht wußte der einen Rat.
Zwei Minuten vergingen. Dann waren Shaos Kräfte so weit zurückgekehrt, daß sie es riskieren konnte. Sie kletterte am Tor hoch.
Zweimal rutschte sie an den glatten Stangen ab, erst beim dritten Anlauf gelang es ihr, das Hindernis zu überwinden. Als sie auf der anderen Seite zu Boden sprang, konnte sie den Sprung nicht mehr abfangen und fiel hin. Sofort kämpfte sie sich wieder hoch.
Shao taumelte über den Gehsteig und dachte nicht mehr an die Glätte. Wieder fiel sie.
Tränen der Wut traten in ihre Augen. Weiter oben in der Straße sah sie einen dunklen Wagen fahren. Sie aber wollte zu einem Telefon.
Shao rannte die Villenstraße entlang. Dabei achtete sie sehr auf die Eisfelder, denn ein Ausrutscher hatte ihr gerade noch gefehlt.
Wo stand die nächste Zelle?
Shao erreichte das Ende der Straße. Sie blieb an einer Kreuzung stehen. Blickte nach rechts und nach links. Eine Zelle sah sie zwar nicht, aber ein altes Haus, das keinen großen Vorgarten hatte, den sie erst durchqueren mußte. Er war auch nicht durch ein Tor abgesichert.
Die Chinesin lief quer über die Straße, erreichte das Haus, sah das Klingelbrett und schellte Sturm.
Sie hatte den Knopf gedrückt, der zur Erdgeschoß-Wohnung gehörte. Das Geräusch hallte bis an ihre Ohren. Jemand drückte die Haustür auf, und Shao taumelte in den Flur. Aus einer Tür waren zwei ältere Leute getreten, die Shao überrascht anschauten.
Die Chinesin hob den Kopf. »Bitte!« keuchte sie. »Kann – kann ich bei Ihnen telefonieren?«
Der Mann handelte schnell und gab den Weg frei. Von der Wohnungseinrichtung
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