0154 - Desteros Rache
Nervenbelastung quälte ihn. Ein Anruf und John würde kommen. Er würde aber auch in sein Verderben laufen.
Abrupt wandte sich Bill Conolly um und ging quer durch den Raum zu einem Sekretär, der immer abgeschlossen war. Bill schloß ihn auf und zog die Klappe herunter. Das Innere war in mehrere Fächer unterteilt, in denen der Reporter Papiere und Unterlagen verwahrte. Ganz rechts befand sich ein kleines Fach, das durch ein Spezialschloß gesichert wurde. Um es zu öffnen, mußte Bill einen flachen Schlüssel nehmen. Die Klappe fiel. Da lag sie.
Die alte Luger, die er schon seit vielen Jahren besaß. Sie hatte ihn früher auf seinen Reportagen oft begleitet. Die Waffe war geladen und ausgezeichnet gepflegt. Bill hatte sie in ein Tuch gewickelt.
Jetzt nahm er sie heraus.
Sein Gesicht war zur Maske erstarrt, als er die Pistole in der Rechten wog.
Ja, er konnte mit ihr umgehen. Dann stand plötzlich Sheila in der Tür. Die beiden Eheleute sahen sich an. Kein Wort wurde gewechselt, aber Sheila las in den Augen ihres Mannes die finstere Entschlossenheit. Bill atmete noch einmal tief durch und gab sich einen Ruck. Dann ging er zum Telefon…
***
Wie versteinert hockte ich hinter dem Lenkrad des Bentley. Bill Conolly hatte angerufen, und noch immer hämmerten seine Worte in meinem Kopf.
»Johnny ist entführt worden!«
Es war, als hätte mich der Schlag getroffen. Als ich hörte, daß Destero dahintersteckte, da war mir viel klar geworden. Meine Alpträume waren nur ein Ablenkungsmanöver gewesen. Destero und damit auch Asmodina verfolgten ganz andere Ziele. Viel, viel schlimmere. Sie hatten dort zugeschlagen, wo ich nicht mit rechnete.
Ein Kind!
Mein Gott, was konnte der kleine Johnny denn dafür? Aber danach fragte niemand.
Brutal gingen unsere Gegner vor. Sie nahmen auf niemanden Rücksicht. Machten vor nichts halt. Weder vor Frauen, Kindern oder Männern.
Viel zu schnell lief mir die Zeit davon. Ich mußte mich beeilen, ich wollte mit Bill reden, ihn und Sheila trösten, falls das überhaupt jemand konnte. Aber die Straßen waren regelrechte Rutschbahnen.
Auf den Hauptstraßen ging es ja, aber die anderen hatte der Frost in eine Eisfläche verwandelt. Ein paarmal sah ich Wagen, die sich um ihre eigene Achse gedreht hatten oder gegen einen Baum gekracht waren. Deshalb fuhr ich so überaus vorsichtig.
So langsam war ich den verdammten Winter leid. Manchmal schien es mir, als würden die Bäume überhaupt nicht mehr grün.
Johnny entführt!
Es ging mir nicht aus dem Kopf. Ich bastelte Pläne, verwarf sie wieder, fing von neuem an, ein ewiges Wechselspiel, ein Hin und Her, doch zu einem Ergebnis gelangte ich nicht. Ich mußte erst mit den Conollys reden.
Die beiden wohnten ziemlich weit im Süden von London, und ich hatte einige Meilen zu fahren. Mein Mund war trocken, die innere Uhr voll aufgedreht.
Die beiden Scheinwerfer warfen ihre Lichtflut vor mir auf die Straße. Im hellen Schein sah ich das Eis auf der Fahrbahn glitzern.
Besonders nahe an den Gehsteigen hatte sich die spiegelnde Fläche gebildet. Wieder eine Kurve.
Vorsichtig fuhr ich in sie hinein. Ich befand mich bereits in einer Gegend, in der es sich lohnte zu wohnen. Ruhige Straßen, auch tagsüber, alter Baumbestand, keine Industrie. Und dann sah ich ihn.
Destero!
Er stand plötzlich vor mir auf der Straße, hatte sich aus dem Nichts materialisiert und hob drohend sein Schwert. Ich dachte nicht mehr an die Fahrbahnglätte und trat vor Schreck auf die Bremse. Das war mein Fehler.
Der schwere Bentley verlor die Haftung und rutschte ein Stück über den glatten Asphalt. Dabei geriet er aus der ursprünglichen Richtung, wurde herumgedriftet und glitt im schrägen Kurs auf den Straßenrand zu. Plötzlich sah ich die Bäume übergroß. Verzweifelt lenkte ich dagegen. Und ich hatte riesiges Glück.
Doch vor den Bäumen brachte ich den Wagen zum Stehen.
Destero lauerte noch immer.
Auch als ich die Tür aufstieß, blieb er stehen und wartete ab.
Ich verließ den Wagen, hütete mich jedoch, einen schnellen Schritt auf ihn zuzugehen, da ich nicht auf die Nase fallen wollte.
Neben der Tür blieb ich stehen.
Ich glaubte nicht, daß der Henker einen Kampf haben wollte, er war aus einem anderen Grund erschienen.
»Sinclair!« sagte er dumpf. »Nun erlebst du Desteros Rache!«
Verächtlich verzog ich die Mundwinkel. »Seid ihr schon so weit gesunken, daß ihr euch an einem unschuldigen Kind vergreifen müßt?« höhnte ich. »Ist das eure
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