0159 - Seance des Schreckens
Türen durch Magie, und sie kam außen an der Wand hoch. Hier gehen Dinge vor, die ich nicht begreife. So, wie Iljuschin durch das Aufleuchten des Kreuzes im Mondlicht gerettet wurde, wurdest du dadurch gerettet daß du in der Wand verschwandest. Hier sind wir nur Marionetten. Irgendwelche Kräfte treiben mit uns ihr Spiel.«
»Ich muß an Merlin denken«, sagte Zamorra. »Aber der kann es nicht sein. Merlin würde sich offen zu erkennen geben und auch nicht auf diese seltsame Weise eingreifen, sondern seine Figuren direkt mit den nötigen Fähigkeiten versehen…«
Nicole sah zur Uhr, dann ging sie zum Fenster und schloß es sorgfältig, »Wo Frischluft herein kann, können auch andere böse Dinge herein«, sagte sie. »Laß uns noch ein paar Stunden schlafen. Wer weiß, was morgen auf uns lauert.«
***
In dieser Nacht geschah noch etwas.
In Priem am Chiemsee schritt ein hünenhafter, korpulenter Mann mit hoher Stirn durch die Nacht auf das Krankenhaus zu, in das Jens Walker und Kerstin Molyn gebracht worden waren; der eine, damit seine Krallenverletzungen behandelt werden konnten, die andere, um die Reste des Spinnennetzes vorsichtig chirurgisch zu entfernen.
Niemand sah den Hünen, der durch die verschlossene Eingangstür glitt, als existiere sie überhaupt nicht, und dann mit lautlosen Schritten über den Korridor zum Lift schritt.
Er kannte sich offenbar aus.
Mit dem Lift fuhr er in die zweite Etage empor, benutzte dort wieder einen Korridor und blieb vor einer Zimmertür stehen. Leicht berührte seine Hand die Klinke und stieß die Tür auf, geräuschlos betrat er das Drei-Betten-Zimmer.
Zwei waren belegt, und in einem befand sich Jens Walker. Der Australier war verarztet worden und würde am nächsten Morgen eingehender behandelt werden.
Aber für Mho-lin-oors Begriffe dauerte das alles zu lange. Die Heilkünste der Menschen waren zu langsam und zu unausgereift. Sie machten den Fehler, sich auf die Behelfskrücke »Wissenschaft« zu verlassen, anstatt sich der einfacheren Magie zu bedienen.
Der Massige trat an Jens Walkers Krankenbett und legte dem Mann die Hand auf die Stirn. Schlagartig war der Verletzte wach. Er sah Mho-lin-oor erstaunt an.
»Steh auf«, verlangte dieser langsam und leise.
Der Verletzte erhob sich aus dem Bett. Seltsamerweise verspürte er keine Schmerzen. Abermals berührte die Hand des Hünen seinen Körper. Das Krankenhaus-Nachthemd, das Walker zur Verfügung gestellt worden war, fiel förmlich von ihm ab. Der Hüne betrachtete die Verbände.
»Löse sie«, sagte er zwingend.
Jens Walker starrte in die Augen des Hünen. Er fragte sich, wer dieser Mann mit den gelben Pupillen war, die sich wie die einer Katze verengten oder erweiterten, je nach Lichteinfall durch das Fenster, dessen Vorhänge zurückgezogen waren. Der andere Patient im Zimmer bewegte sich etwas und rollte sich schlafend auf die andere Seite.
»Warum?« fragte Walker unruhig. »Wer sind Sie, was wollen Sie von mir…«
»Löse sie«, wiederholte Mho-lin-oor. Diesmal hatte seine Stimme hypnotischen Zwang. Walker begann die Verbände zu lösen und betrachtete dann die Verletzungen, die ihm die Riesen-Eule mit ihren Klauen beigebracht hatte.
Die Hände des Hünen glitten über die Wunden. Sofort schlossen sie sich, als hätten sie niemals existiert.
»Kleide dich an«, verlangte Mho-lin-oor.
Jens Walker gehorchte automatisch, holte seine Kleidung aus dem Schrank und streifte sie über. Zuletzt folgte der Gürtel mit der Signalpistole, doch bevor Walker sie einsteckte, lud er sorgsam nach.
»Du verläßt das Zimmer und gehst nach unten, zum Haupteingang«, befahl der Hüne. »Niemand wird dich sehen.«
Walker gehorchte abermals, ohne zu fragen. Er verließ das Zimmer. Mho-lin-oor wartete noch einige Minuten, dann folgte er ihm, schlug aber einen anderen Weg ein.
Eine Etage tiefer befand sich das Zimmer, in das man Kerstin Molyn einquartiert hatte.
Auch hier drang der Hüne lautlos ein. Die Nachtschwester, die gerade über den Gang eilte, um eine Patientin in einem Zimmer am Ende des Korridors zu versorgen, konnte Mho-lin-oor nicht sehen.
Er trat ein, und wieder setzte er die Stimberührung als Weckmittel ein Kerstin Molyn schreckte auf. Fragend sah sie den Fremden an, den sie nie zuvor gesehen hatte.
»Steh auf«, befahl er.
»Was wollen Sie?« fragte sie erschrocken und tastete nach der Alarmglocke, um die Schwester zu rufen.
»Du bist ganz ruhig. Ich helfe dir«, sagte der Hüne. Molyns Bewegung
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