016 - 30 Meilen unter dem Meer
der US Air Force eingetreten war, hatte ihn ohnedies niemand mehr nach seinen Gefühlen gefragt. Nur schnelles Handeln und präzises Denken waren noch gefragt gewesen - und auf beides verstand sich Matt Drax nun mal besser als auf tief schürfende und emotionsgeladene Gespräche mit dem schöneren Geschlecht…
»Er leidet.«
Aruulas Stimme riss Matt fast ruckhaft aus seiner Gedankenwelt zurück in die Wirklichkeit. Und bei ihren Worten kam er sich ertappt vor. Er musste an sich halten, um nicht betreten dreinzusehen.
Umso närrischer kam er sich vor, als er merkte, dass Aruula keineswegs auf ihn angespielt hatte, sondern den Frekkeuscher meinte, der vor ihnen am Boden lag.
Der Sturm hatte das Tier offenbar mit schrecklicher Wucht gegen ein Mauerfragment geschleudert. Die Riesenheuschrecke war nicht mehr imstande, sich aus eigener Kraft zu erheben. Ihre Gliedmaßen zuckten nurmehr, die Flanken bebten, zitterten. Und klägliche Laute hingen wie das Wimmern von Geistern in der Luft und waren trotz des brüllenden Sturmes zu vernehmen.
Sie hatten das Tier gesucht, weil ihr weniges Gepäck auf dessen Bücken befestigt war. Wie durch ein Wunder befand es sich noch immer dort, und Aruula löste die Verschnürung.
Dann zog sie wortlos ihr Schwert und schlug zu, zielsicher und so kräftig, dass Matt das Spiel ihrer Muskeln unter der Haut sehen konnte. Die Klinge trennte den Schädel des Frekkeuschers vom Rumpf. Dunkles Blut ergoss sich aus beiden Wunden.
Aruula säuberte die Waffe am einem bepelzten Bein des Tieres und steckte sie dann wieder in die Rückenscheide.
Es mochte an leidenschaftslosen, hartherzig anmutenden Aktionen wie dieser liegen, dass es Matt bisweilen schwer fiel, in Aruula die empfindsame junge Frau zu sehen, die sie tatsächlich war…
***
Matt Drax hatte sich nie für Eisenbahnen im Allgemeinen und den Euro-Tunnel im Speziellen interessiert. Von klein auf hatte, ihn eigentlich nur interessiert und fasziniert, was mit dem Fliegen zu tun hatte. Und das hatte sich im späteren Leben nicht geändert. Entsprechend wenig wusste er über diesen Channel Tunnel; nur das, was er irgendwann und irgendwo darüber gelesen oder sonst wie aufgeschnappt hatte. Der Tunnel bestand aus zwei Röhren - in der einen verkehrten die Züge von der britischen Insel zum Festland, in der anderen in umgekehrter Richtung. Beide verliefen im Durchschnitt fünfzig Meter unter dem Meeresboden.
Und darin erschöpfte sich sein karges Wissen denn auch schon.
Mehr jedoch brauchte er auch nicht wissen. Von Bedeutung waren ohnehin nur zwei Dinge - ob es den Tunnel noch gab und ob er zugänglich war.
»Yeah!« Triumphierend stieß Matt die Faust in die Höhe.
Vor ihnen klaffte ein Krater im Boden. Und am Grunde des Trichters gähnte tintige Schwärze, aus der ihnen der Geruch von brackigem Wasser entgegenschlug. Und etwas wie kalter Atem…
Letzteres nahm Matt nicht einmal wahr. Aruula jedoch fröstelte, schwieg aber.
Matt war früher nie in Calais gewesen.
Aber es stand anzunehmen, dass es für den Euro-Tunnel einen eigenen Bahnhof gegeben hatte. Der allerdings war im Laufe der Jahrhunderte verschwunden, als hätte er nie existiert. Und der Anfang des Tunnels hatte seinerzeit gewiss auch nicht in diesem kraterartigen Loch bestanden.
Matt nahm an, dass Calais von einer Flutwelle überspült oder von Erdbeben heimgesucht worden war. Es konnte vieles passiert sein in den letzten fünfhundertvier Jahren. Es war nicht wichtig.
»Komm«, sagte Matt und bot Aruula die Hand an, um ihr beim Abstieg über den Kraterrand behilflich zu sein. Sie sah sich unbehaglich, aber wortlos um, ergriff seine Hand, und Seite an Seite kletterten und rutschten sie den steilen Abhang hinunter. Erdreich und loses Gestein gab unter ihrem Gewicht nach. Zwei-, dreimal stürzten sie und fanden mit einiger Mühe neuen Halt.
Dann endlich langten sie unten an. Matt wandte sich augenblicklich der monströs großen Öffnung zu. Sie schien ihm wie ein Tor in die Nacht selbst. Dahinter war nichts zu sehen außer vollkommener Finsternis. Und zu spüren war nur jene Kälte, für die sich Matt, unterbewusst nur, taub stellte. Hoffnung übertönte für ihn momentan jede andere Empfindung.
Aruula wandte ihr Gesicht himmelwärts und ließ sich vom strömenden Regen den Schmutz vom Leib waschen. Matt sah zu ihr hin, wie sie so dastand. Das lange Haar floss ihr über den Rücken und die blanken Brüste, der knappe Schurz enthüllte mehr als er verbarg, die hohen
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