0160 - Der Spiegel des Grauens
war. Vielleicht fanden sie einen Hinweis auf die Art seiner Entstehung.
Vielleicht war er auch gar aus der merkwürdigen Höhle gekommen, die der Angelpunkt zu sein schien, um den sich die Summe der Geheimnisse auf Zannmalon drehte.
In mäßiger Höhe glitten sie surrend über die sanften Rücken der Hügel dahin. Das Land bot überall den gleichen Anblick: toter, schwarzbrauner Boden unter der schimmernden Schicht des Molkex.
Barbare Spencer schwang sich schließlich so neben Joel, daß sie sich mit ihm unterhalten konnte.
„Ich frage mich", begann sie, „was aus all den Pflanzen geworden ist, die früher hier gewachsen sind. Nein", fügte sie hastig hinzu, „keine triviale Antwort. Natürlich haben die Hornschrecken sie aufgefressen. Aber die Hornschrecken sind auch nicht mehr da. Sie sind zerflossen und bilden jetzt diese glänzende Schicht. Haben Sie sich jemals überlegt, welch ungeheurer Betrag an chemischer Energie in der gesamten Pflanzenwelt eines Planeten stecken muß?"
Joel schüttelte den Kopf. Er sah, worauf Barbara hinauswollte.
„Ein gewisser Bruchteil davon", fuhr Barbara fort, „ist natürlich von den Körperfunktionen der Horn-schrecken verzehrt worden, einschließlich des Umwandlungsprozesses von der einzelnen Horn-schrecke zu einer Lache Molkex. Aber der weitaus größere Teil muß noch in der Molkex- Schicht drin-stecken - in jedem Quadratmeter wahrscheinlich so viel, daß man eine äußerst wirksame Bombe daraus machen könnte."
Jaycie Ridell hatte einen Teil der Hypothese gehört und glitt von der anderen Seite auf Joel zu.
Natürlich brauchen wir jetzt eine Physikerin, dachte Joel grimmig, aber wenn Nino das sieht, wird er all seine guten Vorsätze vergessen. Die drei Männer, Fran Jorgens, der hagere Pitter und Nino Lamarre, bildeten eine kleine Gruppe, die sich etwa fünfzig Meter hinter den Diskutierenden herbewegte.
„Ich habe auch schon darüber nachgedacht, Barbara", erklärte Jaycie. „Aber der hohe Energiegehalt muß nicht unbedingt bedeuten, daß die Molkex-Masse unstabil ist."
„Ich glaube, als Biologin verstehe ich nicht allzuviel vom inneren Aufbau der Materie", sagte Barbara. „Ich weiß nur, daß die Gebilde geringsten Energiegehalts gleichzeitig die stabilsten sind."
„Das trifft zu", bestätigte Jaycie. „Nur darf man nicht vergessen, daß es sich bei Molkex nicht um Materie im üblichen Sinne handelt. Die Kristallstruktur, oder was es auch immer anstelle einer Kristallstruktur besitzen mag, ist völlig fremdartig. Die Bindungen zwischen den einzelnen Molekülen müssen tausendmal stärker sein als bei irgendeinem der bekannten Stoffe. Sie lassen sich mit den uns bekannten Mitteln nicht sprengen. Nach meiner Ansicht haben wir es mit einer völlig neuen Klasse von Materie zu tun.
Sie kann aus der uns bekannten Materie durch Absorption gewaltiger Energiemengen aufgebaut werden, formt jedoch in ihrer Klasse wiederum ein stabiles Gebilde, weil...", sie zögerte einen Augenblick, als wäre ihr ein neuer Gedanke gekommen. „Ja, richtig! Die innere Energie eines jeden Stoffes erreicht am absoluten Nullpunkt der Temperatur einen Nullpunktwert, der durch die Einsteinsche Beziehung zwischen Masse und Energie gegeben ist. Für alle uns bekannte Materie beträgt dieser Wert fünfundzwanzig Milliarden Kilowattstunden pro Gramm. Das ist sozusagen eine Naturkonstante. Für Molkex und verwandte Materie liegt der Nullpunktwert ganz einfach höher, etwa tausendmal höher. Das ist das ganze Rätsel. Durch die Absorption genügender Energiemengen wird aus normaler Materie diese... Hypermaterie gebildet. Sie ist stabil, weil ihre Nullpunktenergie wesentlich höher liegt als die aller normalen Stoffe." Joel sah Barbara fragend an.
„Das scheint mir eine vernünftige Arbeitshypothese zu sein", sagte Barbara. „Und wenn das so ist, dann sind wir einem ziemlich heißen Geheimnis auf der Spur."
Joel verstand genug von den Grundlagen der Naturwissenschaft, um Jaycies Gedankengang folgen zu können. Wenn Jaycies Vermutung richtig war, dann war Molkex eine neue Art von Materie, die gegenüber der normalen Materie dadurch ausgezeichnet war, daß sie einen weitaus höheren Grundenergiegehalt besaß, als die Einsteinsche Beziehung vorschrieb. Joels Gedanken spielten weiter. Ein winziges Stück dieser Hypermaterie, in normale Materie zurückverwandelt, würde einen ungeheuren Energiebedarf freisetzen. Er ertappte sich schließlich bei der Idee, daß eine fremde Intelligenz die
Weitere Kostenlose Bücher