0160 - Zuletzt wimmern sie alle
weiter?«
Er ließ den Kopf wieder hängen. In rhythmischen Abständen schlug er die Hände gegeneinander. Ich ließ ihm Zeit. Denn eines war mir inzwischen auch aufgegangen, und darin hatte der Kollege von der Auskunft zweifellos recht: Dieser Junge kam nicht wegen irgendeiner Nichtigkeit.
Nach einer Weile murmelte er, ohne den Kopf zu heben: »Wir haben schon ’ne Menge Blödsinn angestellt. So aus Spaß. Irgend etwas muß man ja machen, nicht?«
»Sicher«, murmelte ich ebenso halblaut wie er.
»Das wollen die meisten alten Herren schon überhaupt nicht einsehen«, sagte er dankbar. »Dabei erzählt mein Alter manchmal, wenn er glaubt, daß ich ihn nicht höre, von dem Blödsinn, den er früher angestellt hat. Also vernünftig hat er sich auch nicht benommen, als er in meinem Alter war.«
Ich mußte unwillkürlich grinsen.
»Das geht wohl den meisten Männern so«, sagte ich.
»Hm«, nickte er zustimmend.
Dann schwieg er wieder. Ich ließ ihm die Zeit, die er brauchte. Es dauerte diesmal nicht so lange wie die Pause vorher.
»Ich bin bestimmt nicht kleinlich«, meinte er sehr ernst, »und ich mache verdammt ’ne richtige Kiste mit, aber irgendwo ist ’ne Grenze. Haben Sie das kapiert? Begreifen Sie das?«
Er stand auf und ging zum Fenster. Jetzt hatte er die Hände leicht in die Hüften gelegt und wippte auf den Zehen auf und ab.
Schweigend starrte er zum Fenster hinaus. Wie spielerisch drückte er den Knopf von der Klimaanlage nieder, vernahm geistesabwesend das leichte Summen der Anlage, drückte sie wieder aus und ließ die Hand langsam an der Wand herabgleiten.
»Um was geht es denn?« fragte ich vorsichtig.
Er drehte sich nicht um. Leise sagte er: »Wir sollen Raila Sheers umbringen…«
***
Auf der dem Distriktgebäude gegenüberliegenden Straßenseite standen zwei Jungen und starrten unentwegt auf das Eingangsportal.
»Was ist das für ein Haus?« flüsterte der kleinere. »Kennst du es, Ben?«
»No. Ich bin noch nie in dieser Straße gewesen. Keine Ahnung.«
»Sieht verdammt groß aus, he?«
»Ja. Fast wie ein Rathaus. Aber das kann es doch nicht sein. Die City Hall liegt doch viel weiter unten im Süden, am Broadway.«
»Ja, das habe ich auch gehört. Was kann es sonst sein?«
Der größere zuckte die Achseln: »Sieht aus wie ein Bürohaus.«
Eine Weile schwiegen sie. Keiner von ihnen war älter als sechzehn, aber der eine war ein Stück größer als der andere und wirkte dadurch älter. Sie trugen beide Farmerhosen und rote, kurze Lederjacken, deren Kragen sie hochgestellt hatten, obgleich es die Witterung nicht erforderte.
Der kleinere Bursche hatte Sommersprossen im Gesicht und rote Haare, von denen ihm eine Strähne in die Stirn hing. Der größere dagegen hatte eine Bürstenfrisur und trug gelbe Arbeitshandschuhe.
Nach einer Weile nahm der kleinere das Gespräch wieder auf: »Was Ben wohl da drin will?«
»Wenn ich das wüßte, würde ich mich wohler fühlen«, versetzte der größere. »Aber ich werde mir jetzt mal die Bude aus der Nähe ansehen. Jack hat gesagt, wir sollen aufpassen, wo Ben hingeht. Na, von hier aus werden wir’s nie rauskriegen, was in der Bude los ist. Bleib hier stehen, und warte auf mich, klar?«
»Okay, Ben. Ich warte. Aber beeil dich ein bißchen!«
»Ja, ja.«
Mit seinen langen Beinen überquerte der größere die Straße in ein paar weiten Sprüngen. Der kleinere sah, wie er die Stufen der breiten Freitreppe hinaufeilte und oben an dem großen Portal ein paar Sekunden stehenblieb.
Dann machte er plötzlich kehrt und kam in höchster Eile wieder über die Straße gehetzt, ohne sich um die wild hupenden Autos zu kümmern, die durch seine Verwegenheit zu jähem Bremsen genötigt waren.
»Komm!« keuchte er atemlos, als er seinen Gefährten erreicht hatte. »Wir müssen schnell zu Jack.«
Sie liefen die Straße entlang. Unterwegs fragte der kleinere atemlos: »Was für ein Haus ist es denn, Ben?«
Der größere spuckte im Laufen aus und fluchte: »Verdammter Dreck! Wer hätte so was von Ben gedacht? Was für eine Bude es ist? Das Haus der G-men! Das FBI-Gebäude!«
Der Kleine blieb entsetzt stehen. Er war schlagartig blaß geworden.
»FBI?« wiederholte er fassungslos.
»Ja! Nun komm schon! Wir müssen es Jack melden, daß uns dieser Lump verpfeift! Dieser Hund, dieser verdammte.«
***
Ich drückte meine Zigarette im Aschenbecher aus. Dann stand ich auf.
»Wer ist Raila Sheers?« fragte ich.
»Eine Studentin. Sie wohnt in unserer
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