0161 - Zamorras Sarg
anzustarren. Dort pulsierte das Blut, dort war die Haut dünn, die Schlagader direkt an der Oberfläche. Es mußte eine Kleinigkeit sein, da heranzukommen.
Nein! dachte er. Nein, nein und nochmals nein! Denn in dem Augenblick, in dem ich es auch nur versuche, ist trotz aller anderen Bemühungen mein Schicksal unweigerlich und unwiderruflich besiegelt!
***
Der Vampir in seinem Versteck schwelgte im Triumph. Nichts konnte mehr schiefgehen. Er rieb sich in einer menschlich wirkenden Geste die Hände.
Er beschloß, einen der obersten Führungsspitze der Schwarzen Familie anzurufen und ihm von seinem Erfolg zu berichten. Nach Möglichkeit Asmodis selbst, der schon einige Male vergeblich versucht hatte, Zamorra den Garaus zu machen.
Für ein satanisches Wesen wie den Vampir, der der Hölle direkt entsprungen zu sein schien, war es wesentlich unkomplizierter, einen Dämon anzurufen oder zu beschwören, als für menschliche Teufelsanbeter. Der Vampir hatte keinerlei Probleme. Er rief, fädelte sich in jene unheilvollen Schwingungen ein und erhielt alsbald Antwort.
Seine Hoffnung, mit Asmodis, dem Herrscher der Schwarzen Familie, persönlich zusammenzutreffen, erfüllte sich nicht. Für ihn war wohl ein anderer zuständig, vielleicht war auch Asmodis mit anderen Dingen beschäftigt, der ja nicht ahnen konnte, welche Nachricht ihm überbracht werden sollte.
Der Vampir spürte, wie ihn eine finstere Aura umhüllte. Eine magische Kraft, erzeugt durch die Energie der Hölle, erfaßte ihn. Seine Umgebung verschwamm, die Konturen der Höhle verwischten. Der Vampir begriff, daß er teleportiert wurde. Überganglos stabilisierte eine andere Umgebung.
Eine endlos erscheinende Halle, erleuchtet von dunklen Kristallen. In einem Feuerkreis stand ein riesiger Dämon menschlichen Aussehens, doch das hatte nicht viel zu bedeuten. Dämonen konnten ihre Gestalten nach Belieben wechseln.
Doch neben dem Feuerkreis stand noch ein anderes Wesen, ein weiterer Dämon. Auch er besaß den Schattenriß eines Menschen, und im ersten Augenblick glaubte der Vampir, einen Meegh vor sich zu haben. Er hatte einmal von jenen seltsamen Wesen gehört, die aus einer anderen Dimension stammten und nur als dreidimensionale Schatten sichtbar wurden. Selbst Dämonenaugen vermochten die Schattenschirme der Meeghs nicht zu durchdringen, welche versuchten, die Macht der Schwärzen Familie zu brechen und selbst eine Schreckensherrschaft auf der Erde zu errichten.
Doch das hier war kein Meegh.
Es war wie ein Riß im Universum in Gestalt eines Menschen, Sterne funkelten, irgendwo strahlte gar eine ganze Galaxis in mattem Licht. Der Dämon wirkte wie ein Abbild des Nachthimmels.
»Ich bin Nocturno«, erscholl es und hallte von den ewigkeitsweiten Grenzen des unendlichen Saales zurück.
Der Vampir fuhr zusammen. Selbst dieses abgebrühte Wesen wurde von einem eisigen Schauer erfaßt, als es den Namen des Dämons vernahm.
Nocturno, Herrscher der Nacht!
***
Mit Bills Faustskizze bewegten sie sich in den Keller hinunter. Jeder trug eine starke Lampe in der Hand, und Bill Fleming hatte darüber hinaus seine Pistole mit den geweihten Silberkugeln mitgenommen. Er wollte kein Risiko eingehen.
»Nimm das Amulett mit«, hatte er dann Zamorra auffordern müssen, der fast ohne diesen Schutz aufgebrochen wäre. »Oder möchtest du noch einmal darauf hoffen, daß im letzten Sekundenbruchteil Nicole auftaucht und sich im Diskuswerfen übt?«
Zamorra hatte das Gesicht verzogen, war aber dann doch losmarschiert und hatte das Amulett geholt. Er trug es aber nicht um den Hals, sondern hielt es in der Hand und wußte offenbar nicht, wohin damit. Seine Hosentasche beutelte sich ein wenig aus; Bill erkannte die Umrisse der Strahlwaffe.
Wenigstens daran hat er selbsttätig gedacht, dachte Bill sarkastisch. Mit Zamorra war an diesem Tag überhaupt nichts los. Er wirkte, als habe er mindestens drei Wochen lang hintereinander keinen Schlaf bekommen.
Jetzt waren sie unten. Nicole und Manuela waren oben geblieben. Nicole hatte seit dem Anblick des Sarges Angst vor jenen Gewölben, und Manuela hatte versprochen, oben bei ihr zu bleiben. Die beiden Frauen hatten sich in Zamorras Arbeitszimmer niedergelassen, und Manuela bestaunte vorwiegend erst einmal die technische Ausstattung von Zamorras Schreibtisch, der eher schon wie das Steuerpult in einer Raumschiffzentrale in einem utopischen Film wirkte.
Bill vermißte hier unten die elektrische Beleuchtung. Nur die Kellerräume unter
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