0166 - Das Werwolf-Mädchen
und heißer wurde, diesen Zweibeiner zu töten.
»Beherrsche dich, Yakka«, verlangte sie warnend. Sie nannte ihn nicht mehr Harry Winter, sondern nur Yakka, wie der Wolf geheißen hatte, bevor sie den Seelentausch erzwang. Ihm war es egal, ob sie ihn Harry oder Yakka nannte. Hauptsache war, daß sie ihm ihre Aufmerksamkeit widmete.
»Was soll denn aus ihm werden?« fragte er in der Wolfssprache.
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte.
»Du wirst schon sehen«, lachte sie auf. »Er wird ein schreckliches Ende finden…«
Da war der Wolf wieder mit sich und der Welt zufrieden. Das Wort der Herrin genügte ihm.
***
Nicole und Monique stiegen aus. Die Tür zur Polizeiwache stand weit offen, ein weiteres Anzeichen dafür, daß hier nichts mehr stimmte. Nicole hatte sich Zamorras Amulett um den Hals gehängt. Sie nickte Monique auffordernd zu, deren Gesicht im Mondlicht unnatürlich blaß wirkte. »Kommst du mit?«
Monique zögerte. »Nein«, sagte sie leise.
Nicole nickte. »Gut. Ich bin gleich wieder draußen. Ich möchte nur sehen, was sich abgespielt hat, bevor die Polizei kommt und alle Spuren zerstört.«
Die Freundin des Inspektors nickte und lehnte sich an den Wagen. Das kühle Metall wirkte beruhigend. Dennoch empfand sie Angst, als sie allein draußen zurückblieb. Sie stieg wieder ein und verriegelte den Wagen sorgfältig von innen. Jetzt erst fühlte sie sich fast sicher - vor den normalen Wölfen, nicht aber vor dem Werwolf-Mädchen.
Ständig sah sie in die Runde, um verdächtige Annäherungen rechtzeitig bemerken zu können. Dann wollte sie die Hupe betätigen und Nicole dadurch vor der sich nahenden Gefahr warnen.
Nicole war unterdesssen eingetreten. Die Eingangstür führte direkt in die Wachstube. Dahinter waren einige Büroräume, die tagsüber von Inspektor Yardin, seinem Assistenten und ein paar weiteren Beamten besetzt wurden. Warum es in einem so kleinen Ort wie Ploumanac’h derart viele Polizisten gab, war ihr rätselhaft.
Die mittlere Tür führte durch einen kurzen Korridor in den rückwärtigen Gebäudeteil, in welchem sich die Zellen befanden, die normalerweise hauptsächlich für die Ausnüchterung randalierender Trunkenbolde Verwendung fanden. In dieser Nacht aber waren alle Zellen leer. Die Türen waren verschlossen.
Nur eine nacht. Sie war nur angelehnt.
Nicole öffnete sie. Diese Zelle war nicht leer. Ein Toter lag darin.
Der Beamte, der den Auftrag gehabt hatte, Lupina trotz der verschlossenen Zellentür zu bewachen!
Nicole rollte ihn auf den Rücken. Da sah sie die furchtbare Bißwunde. Das mußte ein Wolf getan haben. Die Werwölfin oder diese andere Bestie?
Nicole preßte die Lippen zusammen. Es war nicht das erste Mal, daß sie einen Toten sah. Es war das Sinnlose, das sie immer wieder aufs Neue entsetzte. Das so sinnlose und furchtbare Töten und Morden der Schwarzblütigen.
Der Mann war verheiratet gewesen. Der Trauring blitzte im matten Licht der Funzel-Beleuchtung. Nicole schluckte. Hoffentlich hat er nicht auch noch kleine Kinder, dachte sie.
Langsam nahm sie das Amulett ab und ließ es über dem Kopf des Toten pendeln. Sie erinnerte sich an die verschiedenen Möglichkeiten, ein Werwolf zu werden. Entweder durch einen Fluch oder ähnliche Dinge wie unsittlichen Lebenswandel, so hatte sie es flüchtig im Gedächtnis, oder wie bei einem Vampir durch die direkte Übertragung des magischen Keims. Es konnte sein, daß der Beamte den Keim des Bösen bereits in sich trug, durch Werwolf-Zähne übertragen, und in der kommenden Nacht sich dann als Untoter wieder erheben und den Spuren seiner Herrin folgen würde, um ihr zu dienen.
Als Werwolf Sozusagen ein Werwolf zweiter Klasse, dachte sie spöttisch und versuchte sich das Abhängigkeitsverhältnis vorzustellen. Denn Lupina war mit Sicherheit keine Untote. Im Gegenteil, sie war äußerst lebendig! Sie mochte Dämonenblut in ihren Adern tragen.
Das Amulett schimmertte plötzlich etwas heller auf. Der Lichtschein fiel auf das Gesicht des Ermordeten. Nicole atmete tiefer durch. Er trug also tatsächlich bereits den Werwolf-Keim in sich!
Sie fühlte Erleichterung darüber, daß sie den Polizisten zuvorgekommen war. Wäre sie mit ihnen gefahren oder später nachgekommen, hätten sie erfolgreich zu verhindern gewußt, daß sie dem Toten zu nahe kam. Sie hätte keine Chance mehr gehabt, ihn zu retten. Und wenn sie die Story vom Werwolf erzählt hätte, hätte man sie höchstens ausgelacht. Oft genug hatten Zamorra und
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