0168 - Die Teufels-Dschunke
zu haben, mußte sie sie einschalten.
Schon streckte sie den Arm aus. Mehr aus einem Reflex geboren, als vom Gehirn befohlen.
Die Fingerkuppen glitten über den kühlen Schaft, wanderten weiter und erfaßten den schmalen Knopf, den sie nur hochzuschieben brauchte.
Shao tat es.
Sie hatte es noch nicht gewagt, die Lampe zu drehen. Noch fiel der Lichtstrahl gegen die Wand und malte dort den Kreis. Doch langsam wanderte er nach links. Um so schneller, je stärker Shao ihre Hand bewegte.
Dann hatte er sein Ziel fast erreicht. Die Chinesin brauchte den Arm nur noch zu senken, um zu sehen, ob sie mit ihrer makabren Vermutung recht behalten hatte.
Noch stärker klopfte ihr Herz. Es erinnerte sie an schwere Hammerschläge, die in ihrem Kopf widerhallten.
Leicht zitternd fiel der Strahl nach unten auf den Boden.
Im gleichen Augenblick packte Shao das kalte Entsetzen. Eine der kopflosen Leichen hatte sich an der Wand hochgeschoben und war aufgestanden…
***
Sekundenlang geschah gar nichts. Shao war einfach zu geschockt, um reagieren zu können. Sie schrie nicht, sie atmete kaum, sie blieb einfach stumm.
Zu grauenhaft war das Bild.
Der Torso hatte es schwer. Er mußte mit dem Gleichgewicht kämpfen und hatte dabei seine Arme ausgebreitet. Die Beine bewegten sich, wie an Fäden hängend, und seine Hände öffneten und schlossen sich krampfhaft.
Er kam vor.
Ein unheimlicher Instinkt schien dem Torso zu verraten, daß ein lebendiger Mensch in der Nähe war.
Der erste Schritt…
Shao zitterte. Noch immer richtete sie die eingeschaltete Lampe auf den Torso. Es war ihr einfach nicht möglich, sie auszuschalten.
Sie besaß die Nerven nicht dazu.
Neben dem Torso bewegte sich eine andere kopflose Leiche. Sie schlug ihren Arm zur Seite, der zwischen die Beine des ersten Torsos gelangte und diesen zum Stolpern brachte.
Schwer krachte er zu Boden. Er war über die restlichen Leichen gefallen und hatte sich Shao schon mehr genähert. Die Arme waren ausgestreckt, ebenso die Hände, dann aber zog er sie an seinen Körper heran, winkelte sie an und stemmte sie auf.
Der Torso kam wieder hoch.
Der zweite saß inzwischen und drehte sich.
Shao konnte sich nicht erklären, wodurch diese kopflosen Wesen gemerkt hatten, daß sich jemand in der Nähe befand. Wahrscheinlich leitete sie ein unheilvoller Trieb.
Dann stand auch der zweite.
Aber er drehte sich im Kreis, während der erste Torso merkte, was geschehen war und wo Shao saß. Auf jeden Fall kam er weiter auf sie zu.
Die Chinesin hielt es nicht mehr aus. Hatte sie bisher gesessen, so sprang sie jetzt auf und taumelte zur Seite, weil sie von einem plötzlichen Schwindel gepackt wurde, den sie im ersten Augenblick nicht unter Kontrolle hatte.
Sie fiel gegen die Wand.
Das war zugleich das Ende ihres Fluchtweges. Es gab keine Tür, keine Öffnung hier. Shao war eine Gefangene und würde es bleiben, bis…
»Nein«, wimmerte sie. »Nein, nein…«
Das Licht der Lampe zeigte ihr mit brutaler Deutlichkeit, was die lebende kopflose Leiche vorhatte. Die Arme waren so weit erhoben, daß die Hände Shaos Hals finden konnten.
Der zweite Torso befand sich direkt hinter dem ersten. Sollte der es nicht schaffen, würde der andere kommen.
Shao hatte sich mit dem Rücken hart gegen die Wand gepreßt. Sie zitterte am gesamten Leib, und dann konnte sie nicht mehr. Ein gewaltiger Angstschrei brach aus ihrem Mund, der jedoch abrupt verstummte, als sich die eiskalten Totenklauen um ihren Hals legten…
***
Wir saßen wieder im Büro!
Suko paßte dies überhaupt nicht, aber es ging einfach nicht anders.
Wir konnten nicht in der Gegend herumrennen und wild drauflossuchen, sondern mußten systematisch vorgehen.
Dazu hatten wir um Unterstützung der River Police gebeten und auch bekommen.
Die Polizei fuhr mit ihren Booten im verstärkten Maße den Fluß ab. Allerdings so, daß es nicht auffiel. Sie durchsuchten keine Bootshäuser, sondern glitten nur in ihrer Nähe vorbei, wobei sie natürlich auf irgendwelche Spuren oder Anzeichen achteten. Jedes außergewöhnliche Ereignis war sofort zu melden. Die Beamten kannten sich sehr gut aus. Sie fuhren die Strecke tagtäglich, und wir hofften darauf, daß ihnen etwas ins Auge stach.
Hin und wieder schaute Sir James bei mir vorbei. Ich konnte nur mit den Schultern zucken.
Der Superintendent verstand und zog sich zurück.
Glenda Perkins, meine Sekretärin, kochte Kaffee. Eine Kanne hatte ich schon leer. Glenda brachte die zweite.
Ich
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