0168 - Die Teufels-Dschunke
erging.
Nun wußten wir mehr. Es gab zwar zahlreiche Bootshäuser dort, aber es konnte eigentlich nicht sehr schwer sein, das zu finden, wo man Shao gefangenhielt. Und dort schien sich auch die Dschunke versteckt zu halten, davon war ich überzeugt. Ging man davon aus, daß die Dschunke kein kleines Schiff war, mußte das Bootshaus auch ziemlich groß sein.
Ich erhob mich.
Suko hatte den Mann auch losgelassen und wischte über seine schweißnasse Stirn. »Das hätten wir«, sagte er.
Uns hielt hier auf dem Grundstück des Mafioso nichts mehr. Unser Platz war nun woanders.
Als ich einen Blick zum Haus zurückwarf, sah ich hinter einer Scheibe im ersten Stock eine Bewegung. Dort stand Logan Costello und beobachtete uns. Ich konnte mir vorstellen, daß er sich ins Fäustchen lachte, was mir überhaupt nicht paßte, denn wir mußten für ihn die Kastanien aus dem Feuer holen.
Doch es ging um Shaos Leben. Und da waren andere Bedenken völlig zweitrangig.
***
Irgendwann erwachte Shao.
Die Lampe brannte noch immer, aber ihre Leuchtkraft war deutlich schwächer geworden. Daran konnte Shao erkennen, daß sie sicherlich mehr als eine Stunde ohnmächtig gewesen war.
Es schmerzten ihr weder der Kopf noch der Körper, nur vom Magen her stieg ein flaues Gefühl hoch und verursachte in ihrem Kopf einen leichten Schwindel.
Das konnte auch an der schlechten Luft liegen, die sich in diesem Stauraum ausgebreitet hatte.
Shao setzte sich auf. Dabei drehte sie den Kopf und verfolgte mit den Blicken den Verlauf des Lichtstrahls. Die Lampe war zufällig so gefallen, daß ihr Licht auf die grauenerregenden Gestalten fiel, die diesen Laderaum bevölkerten.
Wiederum traf der Anblick Shao wie ein Schlag. Hastig riß sie die Lampe an sich und richtete den Strahl auf die gegenüberliegende Seite, wo er die Wand traf.
Sie wußte nicht, wer diese Opfer waren, aber sie hatte erkannt, daß einige noch nicht so lange hier unten liegen mußten. Die Kleidung sah noch ziemlich neu aus.
Die Chinesin konnte nicht wissen, daß die Diener der roten Schlange kurzerhand die beiden Mafiosi in den Stauraum geworfen hatten. Und mit ihnen auch den Mann namens Chink, denn seine Funktion war erfüllt. Zudem gehörte er nicht zu ihnen und mußte sterben.
So einfach und brutal waren die Regeln.
Mittlerweile merkte Shao das Schwanken der Dschunke. Sie lag nie ruhig, es war ein leichtes Auf- und Abgleiten, je nachdem, wie sich das Wasser bewegte, das gegen die äußere Bordwand klatschte.
Erst jetzt kam Shao auf den Gedanken, einen Blick auf ihre Uhr zu werfen.
Die Chinesin erschrak.
Es war schon früher Nachmittag. Dann hatte sie doch länger ohnmächtig dagelegen, als sie zuvor angenommen hatte. Sicherlich war sie auch vermißt worden, und bestimmt würden Suko und John alles tun, um sie zu finden.
Nur war das eine sehr schwierige Sache. Denn woher sollten sie wissen, wo man sie gefangenhielt?
Sie schaltete die Lampe aus, weil sie die restliche Energie der Batterie sparen wollte. Dunkelheit fiel über sie. Und mit der Dunkelheit kamen die Depressionen.
Shao fühlte sich mit einemmal von allen Menschen verlassen. Sie kam sich so ungeheuer einsam vor. Die Traurigkeit stieg in ihr hoch und auch die Angst.
Am liebsten hätte sie geschrien, und nur mit Mühe konnte sie sich beherrschen.
Sie weinte.
Shao wußte nicht, wie lange sie auf dem feuchten, schimmligen Boden gesessen hatte, schließlich kamen keine Tränen mehr. Und dabei hätte sie für ihr Leben gern mit jemandem gesprochen, wenn es auch ein Mitglied dieser Bande gewesen wäre.
Da hörte sie das Geräusch.
Es war ein Schaben und gleichzeitig ein Kratzen. In der Stille besonders laut zu vernehmen.
Shao horchte auf.
Zuerst dachte sie an Ratten, aber dann hätte sie bestimmt trippelnde Schritte vernommen. Die Geräusche mußten woanders herstammen, von anderen Personen oder Tieren.
Nur – von wem? Sie befand sich doch völlig allein in diesem verdammten Gefängnis unter Deck.
War sie wirklich allein?
Mit Schrecken wurde ihr klar, daß dem nicht so war. Denn bei ihr befanden sich die Leichen, die Toten, die so grauenerregend aussahen. Sollten die etwa?
Auf einmal klopfte ihr Herz schneller. Die Schweißdrüsen begannen zu arbeiten und sonderten ihre Stoffe ab. Das Blut floß schneller durch die Adern und rauschte in Shaos Kopf.
Nebenwirkungen einer heißen Angst.
Shao dachte an die Lampe, die jetzt neben ihr lag. Sie traute sich kaum, sie in die Hand zu nehmen, aber um Gewißheit
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