0176 - Der Pestvogel
Damit würdest du dich umbringen.« Er setzte sich zu seiner Frau aufs Bett, nahm ihre heiße Hand in seine Hände und blickte sie vorwurfsvoll an. »Warum stimmst du einer Einlieferung ins Krankenhaus nicht zu, Adele? Man würde dich gründlich untersuchen und schnell herausfinden, was dir fehlt.«
»Ich bin dir eine Last, nicht wahr?«
»Wie kannst du nur so etwas Dummes sagen.«
»Deshalb möchtest du mich abschieben.«
»Das ist nicht wahr, Adele. Was unterstellst du mir?« Er erhob sich beleidigt und begab sich in die Küche.
Nachdem der Tee fertig war, kühlte er ihn soweit ab, daß Adele ihn trinken konnte. Er gab Honig hinzu, füllte damit die Thermosflasche und kehrte ins Schlafzimmer zurück.
Knöchern sah Adeles Gesicht aus. Die Wangen waren eingefallen, und die Augen lagen in tiefen Höhlen. Mock gab ihr zu trinken.
Während er den Fiebermesser suchte, sagte Adele etwas, das ihn in helle Panik versetzte: »Ich habe ein bißchen geschlafen, kurz bevor du nach Hause kamst. Irgend etwas weckte mich. Ich blickte zum Fenster, und da sah ich einen großen schwarzen Vogel. Er hockte auf dem Sims und starrte mich mit seinen dunklen Augen durchdringend an. Ich hatte schreckliche Angst. Mir schien, als würde er auf meinen Tod warten. Ich muß phantasiert haben…«
Nein, dachte Manfred Mock aufgeregt. Er versuchte sich seine Erschütterung nicht anmerken zu lassen. Nein, du hast nicht phantasiert. Auch ich habe diesen unheimlichen Vogel gesehen.
Das bedeutet bestimmt nichts Gutes. Ich muß rechtzeitig etwas dagegen unternehmen! Der Küster wußte auch schon, was.
***
Es war heiß in Rom. Ich stieg aus dem Polizeiwagen, und meine Nerven waren straff gespannt. Auf der Fahrerseite verließ Capitano Dario Cippato das Fahrzeug. Ein schmächtiger Kerl mit hängenden Schultern, jettschwarzem Haar und einer Nase, die einem Eispickel glich.
Er lächelte mich freundlich an. »Gefällt Ihnen Rom, Oberinspektor?«
»Bisher habe ich es nur beruflich kennengelernt.«
»Haben Sie sehr viel zu tun in London?«
»Immer.«
»Hier haben die Verbrecher leider auch das ganze Jahre über Saison. In den Sommermonaten kommen noch zahlreiche Diebstähle hinzu. Manchmal habe ich den Eindruck, das muß ich zu meiner Schande gestehen, es leben in Rom mehr Diebe als anständige Leute. Mein einziger Trost ist, daß es in Neapel noch schlimmer ist.«
Wir standen vor einem nüchternen Gebäude mit glatten Mauern.
Die Fenster bestanden aus Milchglas, damit niemand hindurchsehen konnte. Es war ein Schutz für die Passanten. So mancher wäre in die Knie gegangen, wenn er gesehen hätte, was hinter diesen Milchglasscheiben passierte.
Wir standen nämlich vor einem Leichenschauhaus.
Ein Fernschreiben von Interpol hatte mich in London erreicht, und ich war mit der nächsten Maschine nach Rom abgeschwirrt, weil man mich gebeten hatte, einen Mann zu identifizieren.
Einen Mann, hinter dem ich schon eine ganze Weile her war. Einen Mann, der mich einmal zum Werwolf gemacht hatte und der sich der gefährlichen Mordliga des Dr. Tod angeschlossen hatte.
Jawohl, Freunde, von dem Monstermacher Marvin Mondo ist die Rede. Solo Morasso alias Dr. Tod hatte die Absicht gehabt, Mr. Mondo für seine teuflischen Versuche ein Laboratorium zur Verfügung zu stellen.
Wo, das entzog sich meiner Kenntnis. Überall auf der Welt konnte Dr. Tod dieses Laboratorium einrichten. Für Marvin Mondo, den Wissenschaftler des Grauens. Seine Tests waren selbstredend verboten. Was er mit Menschen und Tieren schon aufgeführt hatte, war so schlimm, daß es einem kranken, fehlgesteuerten Gehirn entsprungen sein mußte.
So etwas liebte Solo Morasso, der Mensch-Dämon.
So etwas unterstützte er mit wahrer Begeisterung.
Doch nun schien es für Dr. Tod einen Rückschlag gegeben zu haben, denn Mr. Mondo lebte nicht mehr. Ich konnte es kaum glauben. Erst vor kurzem hatte ich mich mit Lupina herumschlagen müssen. Leider war sie wieder entwischt. [1]
Wir betraten das Leichenschauhaus. Drinnen war es zwar angenehm kühl, aber dafür war der Geruch der Desinfektionsmittel widerlich.
»Wie ist Mondo ums Leben gekommen?« wollte ich wissen.
»Terroristen hatten einem bekannten Staatsanwalt vor dem Gerichtsgebäude aufgelauert und ihm die Knie kaputtgeschossen«, antwortete Capitano Cippato. »Das löste eine Großfahndung aus. Razzien. Straßensperren. Fahrzeugkontrollen. Wir unternahmen alles, um die Kerle zu erwischen. Bei solchen Aktionen bleiben immer auch einige
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