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0176 - Der Pestvogel

0176 - Der Pestvogel

Titel: 0176 - Der Pestvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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klar war, an was für einer Krankheit sie litt.
    Sie verfiel von Tag zu Tag mehr, wurde merklich weniger. Ein Riese war sie ja noch nie gewesen, aber nun sah sie verschwindend klein und zerbrechlich aus in ihrem Bett.
    Mock blieb stehen, blickte zum Himmel empor und flüsterte:
    »Herr, gib, daß Adele wieder gesund wird. Wir haben vor dir den heiligen Bund der Ehe geschlossen und uns Treue geschworen, bis der Tod uns scheidet. Laß das nicht jetzt schon geschehen. Du weißt, wie sehr ich an Adele hänge. Es wäre ein furchtbarer Schmerz für mich, sie verlieren zu müssen…«
    Manfred Mock stutzte plötzlich.
    Seltsame, unheimliche Geräusche rissen ihn aus seinen Gedanken. Ihm war, als würde er ein schauriges Stöhnen und Röcheln vernehmen. Ein kalter Schauer rieselte ihm über den Rücken.
    Dem Stöhnen und Röcheln gesellte sich ein Kratzen hinzu, das dem Küster durch Mark und Bein ging. Mock schluckte aufgeregt.
    Er wandte sich nach rechts. Die Laute wurden deutlicher. Mock hatte das Gefühl, eine eiskalte Hand würde sich auf seinen Nacken legen und zudrücken. Sein Herz schlug schneller.
    Was war da los?
    Eine Mauernische.
    Der Küster schlich darauf zu.
    Plötzlich übersprang sein Herz einen Schlag. Hinter dem rauhen, grauschwarzen Sandstein bewegte sich etwas sehr rasch, und dann sauste ein schwarzer gefiederter Körper hoch.
    Ein Vogel war es. So groß, wie Manfred Mock noch keinen gesehen hatte. Mehr als zwei Meter breit waren die mächtigen Schwingen, mit denen das unheimliche Tier kraftvoll die Luft schlug.
    Pfeilschnell sauste der gespenstische Vogel davon. Kein Geräusch verursachte er dabei. Sein Flug hatte etwas Majestätisches an sich. Steil stieg er auf, und Augenblicke später hob er sich über den Dachrand eines Hauses hinweg und war nicht mehr zu sehen.
    Und in Manfred Mocks Kopf entstand ein Gedanke, der ihn zutiefst erschreckte: Du bist dem Tod begegnet.
    ***
    Trotz seiner Furcht wagte er sich bis zur Kirchennische weiter.
    Das Stöhnen, Röcheln und Kratzen hatte aufgehört. In der düsteren Nische war nichts zu sehen. Nichts deutete auf die Ursache der unheimlichen Geräusche hin. Kleine Schweißtröpfchen hatten sich auf Mocks Stirn gebildet. Er wischte sie sich mit dem Ärmel ab und überlegte, was er tun sollte.
    Sollte er in die Kirche zurückkehren und mit dem Priester über seine Wahrnehmung sprechen? Sollte er so tun, als wäre nichts vorgefallen, und nach Hause gehen?
    Da sich die gespenstischen Geräusche nicht mehr wiederholten, kamen dem Küster erste Zweifel. Er hatte in letzter Zeit zuviel gearbeitet und zuwenig geschlafen.
    War es möglich, daß ihm seine Sinne einen Streich gespielt hatten? Hatte er nichts gehört? Hatte er nicht einmal diesen Totenvogel gesehen, sondern nur einen Schatten vielleicht sogar den eigenen?
    Ratlos stand er da.
    Endlich rang er sich zu einem Entschluß durch. Er mußte nach Hause gehen und sich um seine Frau kümmern. Diesem Rätsel wollte er ein andermal auf den Grund gehen. Möglicherweise morgen, wenn er Zeit hatte.
    Er trabte los, ging die Wipplingerstraße entlang, erreichte den Schwedenplatz, überquerte den Donaukanal und betrat kurz darauf ein Haus in der Taborstraße.
    Mühsam versuchte er die Gedanken an das unheimliche Erlebnis zu verdrängen. Rot leuchtete ihm der Knopf des Fünfminutenlichts entgegen. Er drückte darauf. Die Treppenhausbeleuchtung ging an.
    Manfred Mock stieg zum dritten Stock hoch.
    Er schloß die Tür zu seiner kleinen Wohnung auf und trat ein. Es roch irgendwie nach Krankheit. Im Schlafzimmer brannte Licht.
    Adele war nicht die ganze Zeit während Mocks Abwesenheit allein gewesen. Die hilfsbereite Nachbarin schaute öfter nach ihr und bereitete ihr Tee oder flößte ihr Medikamente ein.
    Mock schlich auf die halb offene Schlafzimmertür zu.
    Er drückte sie auf.
    Sein Herz krampfte sich zusammen, als er seine Frau sah. Adeles Gesicht war schweißnaß. Ihre Augen glänzten. Die Wangen waren stark gerötet, als würden sie glühen.
    Auf der Bettdecke lagen einige Illustrierte, die Adele nicht beachtete. Sie war zu matt, um die Hand zu heben.
    Flüsternd sagte sie: »Da bist du ja.«
    Er nickte ergriffen, trat näher. »Du fühlst dich nicht gut, nicht wahr?«
    »Dieses Fieber will mich verbrennen. Ich habe entsetzlichen Durst.«
    Mock griff nach der Thermosflasche, die auf dem Nachttisch stand. Sie war leer. »Ich koche gleich frischen Tee«, sagte er.
    »Ich möchte etwas Kaltes…«
    »Kommt nicht in Frage.

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