0177 - Der Gangster, dem New York gehörte
Wohnung im gleichen Haus.«
»Okay, wir stellen die Bude unter Bewachung. Im Übrigen sieh zu, dass du dir keine Blöße gibst. Raoul Vesters ist Spezialist für den Abschuss von unerbetenen Mitmenschen auf freier Straße. Hin und wieder wird einer von uns in deinen Laden kommen und selbst nach dem Rechten sehen.«
Ich betrachtete das Gespräch als beendet, aber Clark Fence blieb im Sessel sitzen.
Ich sah ihn fragend an. Er setzte einige Male an, bevor er herausbrachte: »Wenn ich Gegenmaßnahmen ergreife, dann könnt ihr es mir nicht verdenken, G-man.«
»Wenn du irgendwem ein Loch in den Körper schießt oder schießen lässt, dann werden wir es dir genauso übel nehmen wie der anderen Seite.«
Ächzend stemmte er sich aus dem Sessel hoch. Er trottete davon und sah aus wie ein bekümmertes Nilpferd.
Ich ging zur Überwachungsabteilung hinüber und organisierte mit dem Chef die Beschattung von Clark Fence. Dann ging ich in mein Zimmer zurück und überlegte.
Es gab in New York zurzeit nur drei Gangster von einigem Format. Fence regierte zwar den Broadway, aber Tertio Derlano, der augenblicklich den Hafen beherrschte, war aus härterem Holz geschnitzt. Die Bowery wiederum wurde von Cool Hoogan kontrolliert, und Hoogan war der verschlagenste und hinterlistigste dieser drei Männer. Untereinander waren sie sich nicht besonders grün, aber sie waren bisher auch noch nicht aneinandergeraten. Ihre Interessen berührten sich nicht.
Alles andere, was sich sonst in New York noch Gangsterboss nannte, war nicht der Rede wert. Eine drohende Bewegung Raoul Vesters in Richtung auf die Stelle seines Anzuges, wo sein Schießeisen saß, genügte, um sie knieweich zu machen.
Kurzerhand rief ich im Atlantic Hotel an und erkundigte mich, ob Carel Kenneth noch dort wohnte, Jawohl, er hatte nach wie vor das Zimmer 312 gemietet.
Vielleicht war der gleiche Portier am Telefon, der in jener Nacht, in der Varuzzo ermordet wurde, Nachtdienst gehabt hatte, denn er setzte hinzu: »Mr. Kenneth lebt sehr ruhig. Fast immer zieht er sich schon gegen 10 Uhr auf sein Zimmer zurück. Er scheint kränklich zu sein. Jedenfalls ist er ein sehr ruhiger Herr.«
»Bewahren Sie sich Ihre gute Meinung«, knürrte ich.
***
Am Abend bummelten Phil und ich langsam über den Broadway. Die Straße platzte vor Menschen. Über unseren Köpfen zuckten die Leuchtreklamen, als habe die Hölle ein Feuerwerk veranstaltet.
Es mochte etwa elf Uhr sein, als wir uns in Fences Jockey Inn schoben. Es war nicht mehr als eine gewöhnliche Kneipe am Ende des belebten Teils der Straße. Die Häuser rückten hier enger aneinander, die Stadtverwaltung hatte an der Straßenbeleuchtung gespart und die Lichtreklamen funkelten spärlicher.
Das Jockey Inn war durch eine große Schiebetür in zwei ungleich große Räume geteilt. Im Hauptsaal saßen mehr oder weniger harmlose Leute und verzehrten Würstchen, tranken kaltes Bier und schluckten billigen Whisky. Im Hinterzimmer standen zwei Billardtische, an denen aber nur eine bestimmte Art von Leuten spielten; Leute, die irgendetwas mit Clark Fence zu besprechen hatten; Leute, die an ihn zahlen mussten, oder Leute, die zu seinen Vertrauten gehörten.
Fence unterhielt, wenn wir richtig informiert waren, keine eigentliche Leibgarde. Wenn irgendwo eine Angelegenheit auf harte Art erledigt werden musste, dann gab der dicke Fence drei oder vier muskelbepackten Tunichtguten ein paar Dollarscheine, und die Männer erledigten die Sache für ihn.
Clark Fence war selbst ein Billardspieler von hohen Graden. Im Grunde genommen ging er nur zwei Beschäftigungen nach. Er rechnete mit den Tributpflichtigen ab, und in der Zwischenzeit spielte er Billard. Kein Wunder, dass er so dick geworden war. Er hatte einfach zu wenig Bewegung.
Die Schiebetür zum Billardzimmer stand offen. Clark Fence spielte mit zwei anderen Leuten. Am anderen Tisch spielte eine Gruppe von vier Männern.
Phil und ich suchten uns einen Platz im Hauptsaal. Wir fanden einen Tisch, der in einer Nische stand und von dem aus wir einen guten Teil des Saales beobachten konnten.
Ein mürrischer Kellner fragte nach unseren Wünschen. Wir ließen Bier kommen. Er brachte es und verlangte sofortige Zahlung.
Es ging ziemlich laut in dem Laden zu, aber die Besucher schienen relativ harmlos zu sein. Wir blieben etwa eine halbe Stunde, eigentlich nur zu dem Zweck, um uns ein Bild vom Milieu zu machen. Beide rechneten wir nicht damit, dass sich etwas Ungewöhnliches ereignen
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