0177 - Der Gangster, dem New York gehörte
ausgekochter Bursche, als dass er mit so simplen Methoden zu kriegen gewesen wäre. Langsam löste er den Blick von mir, drehte den Kopf zur Seite und brummte: »Habe den Namen nie gehört.«
»Du übertreibst; jeder, der länger als fünf Jahre in der Branche ist, kennt den Namen Kenneth. Gregor Kenneth war immerhin unter euch mal so etwas wie ein großer Mann.«
Vesters Gehirn reagierte nicht sehr schnell, aber wenn er eine Methode eingeschlagen hatte, so hielt er zäh daran fest. Das war seine Stärke. Er hatte sich vorgenommen, alles zu leugnen, und er würde bei diesem Leugnen bleiben, bis er wirklich keinerlei Ausweg mehr sah.
Er schüttelte den schweren Schädel.
»Ich habe Ihnen gesagt, dass ich mit der ganzen Sache nichts zu tun habe, G-man«, brummte er. »Lassen Sie mich endlich in Ruhe. Das Gericht wird finden, dass Sie einen ziemlichen Fehlgriff taten, als Sie mir den Mord an dem Polizisten anhängten.«
Ich ließ die Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus. »Mit dir ist nicht zu reden, Raoul«, sagte ich. »Nun, auch der Henker legt keinen Wert auf ein letztes Gespräch.«
Phil klopfte auf mein Zeichen an die Zellentür, und der Wärter schloss auf und ließ uns heraus.
»Jetzt wollen wir Kid Varuzzo sprechen«, sagte ich.
Varuzzos Zelle lag drei Stockwerke höher und sah genauso aus wie die Zelle des Berufsmörders. Als wir hereinkamen, stoppte der Fahrer des Killers seinen unruhigen Gang, er sah uns an und kam dann sofort auf uns zu.
»Ist etwas Besonderes?«, fragte er mit seiner hellen, nervösen Stimme.
Varuzzo war ein schlanker, schmaler Junge von vielleicht fünfundzwanzig Jahren. Er war das Kind italienischer Einwanderer, aufgewachsen in Chicago, mit Taschendiebstählen auf die schiefe Bahn geraten, und schließlich, vor etwa zwei Jahren, war er auf Vesters gestoßen, der ihn als Fahrer engagierte.
Im Laufe dieser zwei Jahre war der Berufsmörder zu vorsichtig gewesen, Varuzzo in seine Karten sehen zu lassen. Bei allen Aufträgen, die er während dieser Zeit ausführte, ging er gewöhnlich so vor, dass er sich von Varuzzo in die Nähe des Tatortes fahren ließ, den Rest des Weges aber bis zu der Stelle, wo er sein Opfer zu treffen hoffte, zu Fuß ging, den Mord ausführte und dann zu dem Wagen zurückkam. Alles, was Kid Varuzzo dann noch zu tun hatte, war, mit hoher Geschwindigkeit irgendwohin zu fahren. Vielleicht ahnte er, welchem Job sein Chef nachging, vielleicht wusste er es sogar. Jedenfalls machte er sich nicht viel Gedanken darüber.
Der Mord an dem Polizisten Jim MacKnew war die erste Tat, die Vesters vom Auto aus und in Gegenwart von Varuzzo beging. Wahrscheinlich hätte der Junge auch jetzt den Mund gehalten, wenn er und sein Chef nicht vierundzwanzig Stunden nach dem Verbrechen verhaftet worden wären. Dann aber, die Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord vor Augen, brach Varuzzo zusammen und verlor die Nerven. Wir hatten nicht viel Mühe mit ihm. In der Hoffnung, durch ein Geständnis sich mildere Bedingungen einzuhandeln, verpfiff er seinen Chef sofort und hemmungslos.
»Kid, hast du keine Ahnung, für wen Vesters den Mord an dem Polizisten ausführte?«, fragte ich und hielt ihm das Zigarettenpäckchen hin. Varuzzo nahm sofort eine Zigarette.
»Nein«, sagte er, während ich ihm Feuer gab, und sah mich aus seinen großen, eigentlich schönen Augen an. »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt. Ich wusste nie, was Vesters vorhatte und was er tat. Er sagte zu mir: ,Fahr dorthin. Fahr hier hin!’ Das tat ich, aber ich wusste nie, was dort passierte, wo ich ihn hingefahren hatte.«
»Kennst du Carel Kenneth?«
Er schüttelte heftig den Kopf.
»Hast du den Namen nie gehört?«
Er überlegte keine Sekunde lang. »Nein, bestimmt nicht!«
»Du bleibst bei deiner Aussage?«
»Bestimmt, Mister Cotton, es ist doch meine einzige Chance.«
»In Ordnung, Kid.«
Ich legte das fast noch volle Zigarettenpäckchen auf den Zellentisch.
»Bis zum Prozess dürfte es noch etwa zwei Wochen dauern. Alles Gute, mein Junge.«
Wir ließen uns vom Wärter zum Direktor des Gefängnisses bringen. »Ich weiß, dass es überflüssig ist, Sir«, sagte ich, »aber ich möchte Sie bitten, auf die Gefangenen Raoul Vesters und Kid Varuzzo besonders achten zu lassen. Wir haben eine Drohung bekommen, und es ist nicht unmöglich, dass man versuchen wird, die Gefangenen zu befreien oder zu töten.«
»Sie können beruhigt sein«, versicherte er und begann, sich ausführlich über die
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