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0177 - Melinas Mordgespenster

0177 - Melinas Mordgespenster

Titel: 0177 - Melinas Mordgespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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aufschrecken.
    Der kleine Altar lag im Halbdämmer. Burger brauchte nicht bis vorn hin, er ging an der Seite entlang, wo auch die Bilder des Kreuzwegs an den Wänden hingen, und öffnete eine schmale Holztür, die neben einer Nische lag, in der eine einsame Kerze ihr blasses Licht verstreute.
    Der Küster schaute nicht in die Nische hinein, sondern stieg die alte Holztreppe hoch.
    Die Stufen knarrten erbärmlich. Es hörte sich schlimm an, man konnte direkt Angst bekommen, daß die Treppe jeden Augenblick zusammenkrachte.
    Allen Unkenrufen zum Trotz hatten die die Jahre gehalten und sie würde auch weitere Jahre überstehen.
    In vier Etappen führte sie hoch.
    Licht gab es im Glockenturm nicht. Im Winter nahm der Küster Kerzen mit hoch, im Sommer fiel das Licht durch drei schmale Fenster. An diesem Abend konnte der Küster noch genug sehen, und als er sein Ziel erreichte, mußte er erst einmal verschnaufen.
    Drei Minuten blieben ihm noch.
    Ein paar Mal holte er tief Luft. Ja, die Anstrengung schaffte ihn, man war eben nicht mehr der Jüngste. Über dem Mann befand sich das stabile Dachgebälk. Dort hingen auch die beiden alten Glocken. Sie stammten aus dem letzten Jahrhundert und waren die Spende eines schottischen Edelmanns. Das Seil, das gleichzeitig beide Glocken in Bewegung setzte, endete etwa in Brusthöhe des Küsters.
    Langsam hatte sich sein Atem beruhigt. Mike Burger rieb seine Hände mit einer Creme ein, damit sie griffiger waren und er das Seil besser packen konnte. Durch die drei offenen Fenster fuhr der Wind und wirbelte das noch immer dunkle Haar des Mannes hoch.
    Jetzt war es soweit.
    Der Küster umklammerte mit beiden Händen das Seil und zog kräftig.
    Die erste Glocke schwang zur Seite. Sie stieß gegen den Klöppel, der wiederum vor die Innenwand schlug und seinen Gong über das Land warf.
    Auch andere Kirchenglocken läuteten, und im Turm der Kapelle schwang die zweite Glocke mit.
    Der Küster zog noch einige Male, damit die Glocken richtig in Schwung kamen und trat dann aufatmend zurück.
    Jetzt läuteten sie erst einmal von allein weiter. Er ging vor bis zu einem Fenster und schaute hinaus.
    Dieser Blick entschädigte ihn oft für den langen Aufstieg. Er glitt in den Talkessel hinunter, strich über die Dächer der Häuser und verlor sich in den Hügeln, wo bereits der allabendliche Dunst lag, abgesehen von wenigen Tagen im Jahr.
    Eine friedliche Gegend.
    Und doch hatte es zwei Morde gegeben. Die Nachricht verbreitete sich blitzschnell, jeder im Ort war entsetzt gewesen, und man suchte fieberhaft nach dem Mörder. Der Pfarrer hatte Mike Burger versprochen, in seiner nächsten Predigt auf die Morde einzugehen, und der Küster war gespannt, was der Geistliche dazu sagen würde.
    Er drehte sich wieder um, weil er den beiden Glocken noch einmal Schwung verleihen wollte.
    Da sah er das Mädchen.
    Der Glockenklang hatte seine Schritte übertönt, als es die Treppe hochgekommen war, und jetzt stand es da und schaute den Küster an.
    Das rötliche Haar machte das Gesicht sehr schmal. Dafür wurden die Augen betont, sie schienen in einem düsteren Feuer zu glühen.
    »Was willst du denn hier?« fragte der Küster. Er mußte schreien, damit ihn das Mädchen verstand.
    Es gab keine Antwort, sondern lächelte nur.
    Mike Burger deutete mit der rechten Zeigefingerspitze zu Boden. »Du kannst unten warten.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Burger hob die Schultern. »Gut, wie du willst. Wenn du mir zuschauen willst.« Ohne seine Besucherin aus den Augen zu lassen, zog er zweimal kräftig am Seil.
    Abermals verstärkte sich das Läuten. Ein Ruf der Kirche schallte den Gläubigen entgegen.
    Jetzt schwieg auch Mike Burger. Das Läuten war eben zu laut, er hätte schreien müssen. Allerdings fragte er sich, was die Kleine bei ihm wollte?
    Er kannte sie. Mit ihrer Mutter wohnte sie nicht weit von der Kirche entfernt, praktisch zwischen dem neuen und dem alten Friedhof. Ihr Vater lebte nicht mehr. Er hatte als Holzfäller gearbeitet und war von einem fallenden Baum zerquetscht worden. Seit der Zeit lebte Mrs. Carrington mit ihrer Tochter allein.
    Das Mädchen war immer sehr still gewesen, es machte einen sympathischen Eindruck und war keine Disco-Biene, wie andere in ihrem Alter. Auch die Mutter arbeitete fleißig, um die schmale Rente aufzubessern.
    »Möchtest du mal läuten?« fragte Mike Burger.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Der Küster wunderte sich. So schweigsam hatte er die Kleine nicht in Erinnerung gehabt.

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