0177 - Melinas Mordgespenster
erzählt.«
»Hast du ihr gesagt, daß ich die Mordfälle aufklären soll?«
»Nein, wo denkst du hin?«
»War nur eine Frage, Dad.« Ich schüttelte den Kopf. »Dieser Fall wird uns noch Schwierigkeiten bereiten, davon bin ich fest überzeugt«, erklärte ich.
»Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, daß ein Mädchen diese Verbrechen begangen hat«, sagte meine Mutter.
»Ja, es ist schwer zu glauben«, gab ich ihr recht. »Nur bin ich selbst angegriffen worden.« Ich räusperte mich. »Sie muß gewußt haben, daß ich gekommen bin, um den Fall aufzuklären. Das würde auch ihren Angriff erklären.«
»Also doch ein Motiv«, sagte mein Vater.
»Wie bei den anderen. Daran habe ich nie gezweifelt. Ich selbst habe mit den Mächten der Finsternis zu tun. Und auch Dämonen morden nicht nur aus Spaß an der Freude, wenn ich das einmal so leger sagen darf. Sie haben ebenfalls ein Motiv.«
»Wenn wir das finden, hätten wir den Fall gelöst«, meinte mein Vater.
»So gut wie.«
»Wir bekommen Besuch.« Mutter stand an einem der Fenster und schaute hinaus.
»Der Sergeant?« fragte mein Dad. »Ja.«
Vater schaute mich an. »Jetzt bin ich gespannt, John. Vielleicht finden wir nun dein berühmtes Motiv.«
Ich lächelte. »Wir wollen es zumindest hoffen…«
***
Die St. Patrick Church stand etwas abseits. Es war die älteste Kirche von Lauder. Die Menschen damals hatten sie dort gebaut, wo der Wald anfing, einiges an Land gerodet und gleichzeitig hinter der Kirche auf dem freien Platz den Friedhof angelegt. Vom Kirchhof aus hatte man einen Blick ins Tal, und bei klarem Wetter sah man auch die Höhenzüge im Süden.
Messen fanden nur Sonntags statt. Die Kirche, schon mehr eine Kapelle, diente dem stummen Gebet. Sie wurde hin und wieder von Menschen - meist älteren - besucht, die stille Stunden in dem kleinen Gotteshaus verbringen wollten.
Zudem hatte die Kirche keinen eigenen Pfarrer. Der Geistliche der Nachbargemeinde betreute die Kapelle mit, und er las auch am Sonntag einmal hier die Heilige Messe.
Trotzdem wohnte in dem kleinen Anbau jemand. Es war Mike Burger, der Küster. Er läutete nicht nur die Glocken, sondern kümmerte sich auch um den schriftlichen Kram. Er war mehr Büroangestellter als Gottesdiener. Wenn jemand eine Hochzeit vorbereiten wollte, kam er zu Burger, auch die Eltern, die ihr Kind taufen lassen wollten, fanden den Weg zu ihm. Bevor jemand auf dem Friedhof bestattet wurde, erledigte man beim Küster die schriftlichen Formalitäten.
Morgens und abends läutete er die Glocken. Einmal um sechs und beim zweitenmal um 18 Uhr.
Es war ein Rhythmus, an den sich Mike Burger gewöhnt hatte. Auch ohne Uhr hätte er gewußt, wann die Glocken zu läuten waren. Im Laufe der Zeit war ihm das in Fleisch und Blut übergegangen.
Um zehn Minuten vor 18 Uhr klappte Mike seine Akte zu, über die er gebrütet hatte und schob den Schreibtischstuhl zurück. Er stand auf, reckte sich. Das lange Sitzen hatte seine nicht mehr ganz so jungen Knochen doch müde gemacht.
Im nächsten Jahr wurde er 60. Eigentlich hätte er dann in Pension gehen können, doch Mike dachte nicht daran. Er wollte weiter arbeiten, nur für das Läuten der Glocken hätte er gern eine Hilfe gehabt. Die körperliche Kraft ließ langsam nach.
Mike Burger bewohnte zwei Zimmer in dem kleinen Anbau, wo sich auch die Sakristei befand. Das Arbeitszimmer, auch Büro genannt, lag extra.
Eine Tür führte von hier aus nach draußen. Mike Burger ließ die Schreibtischleuchte brennen, als er sein Büro verließ. Ein Zeichen, daß er bald zurück war, falls ein Besucher ihn sprechen wollte.
Die Kirche besaß einen nicht sehr hohen Turm, doch die Treppe dort war ziemlich steil. Zudem aus Holz gefertigt, das ruhig mal eine Restaurierung verdient hätte, aber dafür hatte die Gemeinde kein Geld.
Man konnte den Glockenturm von der Kirche aus betreten oder auch von außen. Der Küster entschloß sich für die Kirche. Dabei konnte er noch nachschauen, ob alles in Ordnung war.
Die Eingangstür der Kapelle knarrte wie immer, als sie aufgezogen wurde. Kühle empfing den Küster. Der Geruch von Weihrauch und Kerzen schwängerte die Luft.
In der letzten Reihe und ganz links saß eine Frau im Gebet vertieft.
Mike kannte sie. Vor wenigen Wochen erst hatte sie ihren Mann verloren. Sie selbst zählte ebenfalls 80 Lenze.
Auf Zehenspitzen bewegte sich Mike Burger voran. Er wollte die Frau nicht stören, das Glockengeläut würde sie schon früh genug
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